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Die Berater

Sie planen Wahlkampfkampagnen und entwerfen Kommunikationsstrategien: Zwei Politikberater über die Digitalisierung in der politischen Kommunikation und die Grenzen zwischen Machen und Beraten.

Frank Stauss

…ist Diplom-Politologe und Geschäftsführender Gesellschafter der Agentur Richel, Stauss für strategische Kommunikation. Seit über zwanzig Jahren macht er Wahlkämpfe, manchmal zwei bis drei im Jahr.

Heute Morgen Übermorgen: Wo verläuft die Grenze zwischen Politik machen und Politik beraten?

Frank Stauss: Da gibt es einen großen Unterschied in der alltäglichen Arbeit. Politik ist ein sehr ernsthaftes, intensives und sachorientiertes Geschäft. Aus meiner Berufserfahrung weiß ich, dass wir viele exzellente Fachpolitiker haben, denen aber manchmal die Zeit und die Gabe fehlen, in der heutigen Medienwelt ihre Botschaften zu transportieren. Dabei gehört Politikvermittlung ja wesentlich zum Beruf eines Politikers dazu. Inhaltliche Politik machen wir also ganz klar nicht, aber wir spitzen die Politik in der Kommunikation inhaltlich zu. Ob ein Kunde unserem Rat folgt, liegt bei ihm. Mir geht es darum, die Stärken einer Person zu stärken und nicht darum, ihre Schwächen auszubügeln. Was im umgekehrten Fall geschehen kann, haben wir bei Martin Schulz gesehen. Als Berater schaue ich ganz klar darauf, wie die Person ist, wofür sie brennt, bei welchen Inhalten sie sattelfest ist. Und dann gilt es im Wahlkampf diese Stärken in Bezug auf aktuelle Debatten der Republik herauszustellen.

Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf die politische Kommunikation?

Die Filter-Rolle der Medien hat sich dramatisch verändert. Wir haben jetzt die erste volldigitalisierte Generation im wahlberechtigten Alter.

„Ich bin der Meinung, dass es in unserer digitalen Welt nicht immer um eine schnelle Antwort gehen sollte, wenn überhaupt um eine gute. Führung bedeutet auch, sich im richtigen Moment für eine Zeit rauszunehmen.“

Frank Stauss

Noch vor etwa sechs Jahren konnten wir von einem Grundkonsens an Wissen in der Bevölkerung ausgehen. Eben weil TV-, Funk- und Printmedien diese Gleichzeitigkeit unter den Bürgern sicherstellen konnten. Durch YouTube und Streamingdienste ist diese Grundlage an Allgemeinwissen nicht mehr gegeben. Stattdessen gibt es sehr spitze Themen, sozusagen „single issues“, wie Uploadfilter, Abtreibungen oder den Klimawandel. Und dann kommen noch Ereignisse wie das Rezo-Video hinzu. Da kann ich als Berater nur beobachten, dass Politiker dazu neigen, möglichst schnell zu reagieren. Ich bin der Meinung, dass es in unserer digitalen Welt nicht immer um eine schnelle Antwort gehen sollte, wenn überhaupt um eine gute. Führung bedeutet auch, sich im richtigen Moment für eine Zeit rauszunehmen.

Könnte eigenständige und professionalisierte politische Kommunikation zur Gefahr für die Demokratie werden?

Das ist jetzt zwar nur eine Momentaufnahme. Aber die Mediensituation in den modernen Demokratien trägt wesentlich zu Destabilisierung und Diversifizierung bei. Gleichzeitig bewegen sich populistische Parteien auf fruchtbarem Boden. Die „single issue“-Tendenz führt außerdem zu einer extremen Härte in der Auseinandersetzung mit Politik. Dadurch verschiebt sich auch der politische Diskurs. Er wird nicht komplexer, sondern aufgeregter. In der heutigen Zeit ist die Demokratie wohl die am wenigsten robuste Staatsform. In Deutschland ist die Lage aber noch sehr stabil.

Martin Fuchs

…berät Regierungen, Parlamente, Parteien, Politiker und Verwaltungen in digitaler Kommunikation. Zu seinen Kunden zählten unter anderem das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und Landesverbände der Parteien CDU, Die LINKE und Bündnis 90/Die Grünen im Bundesgebiet.

Heute Morgen Übermorgen: Wo verläuft die Grenze zwischen Politik machen und Politik beraten?

Martin Fuchs: Chance der externen Politikberatung ist der unbefangene Blick. Dass man nicht in der politischen Gemengelage gefangen oder Parteifreund ist und nicht innerhalb einer Institution aufsteigen, Karriere machen möchte. Deshalb kann ich viel offener auftreten. Bei vielen Projekten gibt es intern bestimmt genauso Menschen, die die Kompetenzen hätten, wie ich auch. Aber das sind Leute, die werden in einer Partei oft nicht gehört. Beispielsweise, weil sie in der Hierarchie zehn Stufen unter einem Vorsitzenden stehen.

„Die Angst vor dem digitalen Raum spüre ich ganz oft. Weil manche Politiker sich in dieser Welt noch fremd fühlen.“

Martin Fuchs

Mit der Macht meiner Expertise kann ich also vielleicht auch mal intern Leuten helfen, die es nicht geschafft haben, Sachen in einer Institution zu bewegen. Die Grenze ist natürlich, dass ich „nur“ der Stratege bin, aber nicht der, der am Ende des Tages ein Format oder eine Strategie auch umsetzt. An der Umsetzung der Ideen hapert es dann auch oft. Da ärgere ich mich dann oft über die schlechte Umsetzung einer guten Grundidee. Aber man muss da trennen. Ich entwickle ja keine Inhalte, was wiederum die Politik macht, wenn sie Visionen erschafft, bestenfalls, um das Land besser zu machen. Bei mir geht es allein um den kommunikativen Verkauf von Ideen und darum, wie man Bürgerinnen und Bürger erreicht.

Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf die politische Kommunikation?

Die Angst vor dem digitalen Raum spüre ich ganz oft. Weil manche Politiker sich in dieser Welt noch fremd fühlen. Im Grunde geht es bei meiner Beratung dann auch darum, Sicherheit für ihr Bauchgefühl zu geben. Stärke zu geben, innovative Ideen auszuprobieren. Und auch darum, zu vermitteln, dass es okay ist, Fehler zu machen. Wir befassen uns beispielsweise mit Social Media, Shitstorms und Cyberangriffen. Da geht es um Fragen, wie man sich gegen einen Troll wehrt, mit Social Bots, oder unliebsamen Informationen auf Wikipedia umgeht.

Könnte eigenständige und professionalisierte politische Kommunikation zur Gefahr für die Demokratie werden?

Die Angst habe ich überhaupt nicht. Solange der Absender hinter Informationen klar ist. Die Medien sind auch dafür verantwortlich, kritisch und investigativ über so einen Wandel in der politischen Kommunikation zu berichten. Zum Glück gibt es in Deutschland einen qualitativ sehr guten und investigativen Journalismus, der mit keinem anderem Land vergleichbar ist. Und da wünsche ich mir einfach, dass Journalisten sich kritischer mit einigen Themen auseinandersetzen. Barbara Hendricks (SPD) hat zum Beispiel damals als Bundesumweltministerin als eine der ersten Politikerinnen angefangen, professionelle Videos zu politischen Statements und Entscheidungen zu produzieren. Wenn das ZDF diese Statements dann übernimmt und nicht kennzeichnet, dass die Quelle PR einer Politikerin ist, dann muss ich den Medien in dem Fall vorwerfen, unsauber zu arbeiten. In der journalistischen Praxis muss vielleicht mehr dafür sensibilisiert werden, dass die politische Kommunikation immer professioneller wird. Für mich steht beim Professionalisierungsprozess eher im Vordergrund, dass Kommunikation in der Politik oftmals sehr reaktiv ist. Es sollen also längerfristige und strategische Kommunikationskonzepte etabliert werden. Um zum Beispiel auch Ideen, die in der Öffentlichkeit kritisch gesehen werden, über einen längeren politischen Prozess hinweg professionell zu begleiten.

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Bilder: Paul Seitz, privat