Am Anfang stand eine große Frage: „Ist die Demokratie in Gefahr?“. Eine Frage, die Günther Rager und ich uns als Lehrende schon länger stellen. Und eine Frage, die den Nerv des Master-Jahrgangs traf. Denn ein Jahr lang war zu spüren, dass die Studierenden dieses Thema umtrieb – auf unterschiedlichen Ebenen: Ist der Politik zuzutrauen, die Fragen und Appelle der Fridays-For-Future-Bewegung in zukunftsgerichtete Politik umzusetzen? Ist ein Wirtschaftssystem, das trotz endlicher Ressourcen auf Wachstum angelegt ist und ein derart großes Maß an sozialer Ungleichheit produziert, so weiter tragbar? Und wenn nein, welche alternativen Modelle werden in der Wissenschaft diskutiert? Wer und was steckt hinter den Verschwörungstheorien, die in Zeiten der Covid-19-Pandemie noch mehr Konjunktur haben als ohnehin schon? Ist unsere Demokratie noch zeitgemäß oder braucht sie eine Frischzellenkur, mit neuen, vielleicht deliberativen Elementen?
Ein Jahr lang haben wir uns diesen großen Fragen gewidmet. Was hat die Diskussionen so beflügelt? Die intensive Lektüre von ausgewählten Texten und die Herausforderung für die Studierenden, sich konkrete Gedanken zu machen und sich zu positionieren, immer wieder auch in Form von kontroversen Diskussionen. Und mehr und mehr wurde das Seminar zu einer Debatte darüber, in welchen Bereichen unsere Gesellschaft – und damit wir – umdenken müssen. Umdenken setzt voraus, dass man den aktuellen Zustand befragt und prüft, wo wir neue Wege einschlagen müssen. Umdenken bedeutet nicht, dass man Patentrezepte zur Lösung der Probleme vorweisen kann. Die Master-Studierenden, die in diesem Schwerpunkt ihre Essays und Interviews publizieren, haben bereits ein Volontariat absolviert. Sie stehen aber noch am Beginn ihres Berufslebens. Die Zukunftsfragen, die wir im Seminar verhandelt haben, betreffen sie noch jahrzehntelang. Bei der Wahl ihrer Essay-Themen und Interviewpartner entschieden sie nach ihren Interessen. So sind die Themen kein Querschnitt der Seminarinhalte, sondern ein Spektrum an Positionen junger Journalist*nnen, die sich inmitten der Covid-Pandemie Gedanken um die Zukunft unserer Gesellschaft machen. Wofür – wenn nicht dafür – ist Universität da?
Veröffentlicht von Günther Rager und Michael Steinbrecher