In Deutschland hat E-Sport es schwer. Obwohl die Politik dessen Anerkennung vorantreiben will, sperrt sich der Deutsche Olympische Sportbund gegen die Modernisierung. Zu Unrecht, findet Andreas Schneider.
„Wir erkennen die wachsende Bedeutung der E-Sport-Landschaft in Deutschland an. Da E-Sport wichtige Fähigkeiten schult, die nicht nur in der digitalen Welt von Bedeutung sind, Training und Sportstrukturen erfordert, werden wir E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkennen und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive unterstützen.“
Mit diesem Satz aus dem 2018 geschlossenen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD haben viele in der E-Sport-Szene die Hoffnung verbunden, er könnte eine sportpolitische Wende in Deutschland bedeuten.
E-Sportler in Deutschland feierten den Entschluss, und auch Hans Jagnow, Präsident des E-Sport-Bundes sah die Vereinbarung als „massiven Schritt nach vorne“.
Kritik gibt es von Vertretern des traditionellen Sports, allen voran Reinhard Grindel, dem ehemaligen Präsidenten des Deutschen Fußballbundes (DFB). Bei einem Interview mit dem Weser-Kurier stellte er im vergangenen Jahr klar: „Fußball gehört auf den grünen Rasen und hat nichts mit anderen Dingen zu tun, die computermäßig sind“. Für ihn sei die Debatte absurd und E-Sport eine „Verarmung“.
Grindel liegt falsch. E-Sport ist Sport. Das nicht anzuerkennen ist rückwärtsgewandt und rational nicht vertretbar – Die Argumente dagegen sind entweder nicht haltbar oder nostalgisch verklärt.
E-Sport ist anstrengend
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ist die Dachorganisation des deutschen Sports und entscheidet faktisch darüber was Sport ist und was nicht. Den nur die Sportverbände, die Mitglied im DOSB sind, erhalten Zugriff auf die staatlichen Fördermittel. Erst Ende Dezember hat die DOSB-Mitgliederversammlung ihre Skepsis bekräftigt.
Auch wenn es so aussieht, als würden Gamer nur locker vor einem Bildschirm sitzen: E-Sport ist anstrengend. Ingo Froböse ist Sportwissenschaftler an der Sporthochschule zu Köln. Er hat herausgefunden, dass E-Sportler 300 bis 400 Aktionen in der Minute durchführen, die eine anspruchsvolle Auge-Hand-Koordination erfordern. „Betrachtet man jedoch die kognitiven und mentalen Anforderungen wie schnelle Reaktionen, Antizipation und Taktik, so werden einige Parallelen zum ‚richtigen‘ Sport deutlich“, sagt Froböse. Für ihn ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis E-Sport offizieller Sport ist.
2016 hat die damalige Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus ein Gutachten vom wissenschaftlichen Parlamentsdienst angefordert, dass abschließend klären sollte, ob E-Sport rechtlich als Sport anerkannt kann und welche Folgen das hätte.
Killerspiele vs. Schießsport?
Bis heute wird das Gutachten vom DOSB herangezogen. Im Bericht heißt es unter anderem: „Schließlich kann der gerichtlichen Anerkennung von E-Sport als Sport aber auch der Umstand entgegenstehen, dass gewisse E-Sport-Spiele von gewaltverherrlichenden Inhalten geprägt sind.“
Damit sind vor allem Spiele wie „Counter-Strike“ oder „Call of Duty“ gemeint. Hier hallt vor allem die „Killerspiel“-Debatte aus den frühen 2000ern nach. Das Argument wirkt allerdings umso fadenscheiniger, je genauer man sich den olympischen Sportkatalog anschaut: Boxen, Fechten, Schießsport.
Den olympischen Gedanken – Menschen auf der ganzen Welt friedlich zusammenzubringen – erfüllt E-Sport bereits seit seiner Geburtsstunde mit Bravour. Inklusive dem abschließend virtuellen Handshake: gg – good Game.
Das stärkste Argument der DOSB gegen E-Sport als Sport ist die fehlende Vereinsstruktur. Um als Sport anerkannt zu werden, sind in Deutschland Vereine mit insgesamt 10.000 Mitgliedern nötig. E-Sport besitzt keine Vereinsstruktur. Eine Anerkennung als Sportart würde ironischerweise aber genau das erleichtern. Die Integration in die Sportförderung der Länder könnte die Hürden zur Vereinsgründung senken und zu einer breiten Amateurstruktur führen.
Grund für die fehlende Vereinsstruktur ist aber auch die Natur von E-Sport: Zum gemeinsamen Spielen ist es nicht notwendig, an einem Ort zusammen zu sein, wie im klassischen Sportverein.
Deutschland hinkt hinterher
Die fehlende Anerkennung diskreditiert außerdem die zahlreichen ehrenamtlich tätigen Mitglieder in Clans (E-Sport-Teams), die sich täglich für ihr Team ins Zeug legen – genauso wie eben auch der Fußballtrainer in der Kreisklasse.
Auch führt der fehlende Status von zu vielen Problemen. E-Sportler erhalten kein Visum. Der Grund: Durch die fehlende Anerkennung der DOSB wird ihr Beruf nicht anerkannt – anders als traditionelle Sportarten. 2016 musste der League-of-Legends-Spieler „Diamondprox“ zurück nach Russland. Seine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland war ausgelaufen. Das führte dazu, dass er nicht mehr in der in Berlin stattfindenden League-of-Legends-Europaliga mitspielen konnte.
„Diamondprox“ ist daraufhin ins Team Apex der North American League of Legends Championship Series gewechselt – in den USA erhalten E-Sportler problemlos eine Aufenthaltsgenehmigung. Letztendlich macht Deutschland sich in einem wachsenden Markt selbst zum Außenseiter. Talente wandern ins Ausland ab oder orientieren sich direkt um. Ein Blick in andere Länder zeigt, dass dort die Frage nach dem Status schon seit Langem geklärt ist. So ist E-Sport in Ländern wie Südkorea oder Finnland als Sport anerkannt, 2022 wird er dann auch offizielle Sportart bei den Asienspielen sein.