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Reiche Männer und junge Frauen zusammenzubringen – das ist die Geschäftsidee von Thorsten Engelmann. 2010 hat er die Dating-Plattform „MySugardaddy.eu“ gegründet. Wer hier auf Frauensuche gehen will, muss vor allem eins haben: Geld. Thorsten Engelmann erklärt im Interview, wie seine Plattform Jung und Alt verkuppelt, welche Rolle Algorithmen dabei spielen und wie seine Firma mit den Daten der „Sugardaddies“ und „Sugarbabes“ umgeht. Ein Leak wäre bei einer Datingplattform schließlich besonders pikant.
Von Susanne Hoffmann und Franziska Weil
MySugardaddy.eu ist eine Dating-Plattform, über die wohlhabende Männer (Sugardaddys) mit jungen attraktiven Frauen (Sugarbabes) vernetzt werden sollen. 80 Prozent der Mitglieder sind junge Frauen, die um die rund 20 Prozent reichen, männlichen Mitglieder buhlen. Um die Glaubwürdigkeit ihres Profils zu erhöhen, sind die Männer aufgefordert, ihr Einkommen anzugeben und gegebenenfalls mit einem Einkommenscheck nachzuweisen. Damit sichergestellt wird, dass sich echte Nutzer hinter einem Profil verbergen, können User ID-Checks mit Personalausweis und Reality-Checks durchführen. Die Plattform wächst stetig, derzeit sind über 150.000 Nutzer angemeldet. 80 Prozent davon stammen aus Deutschland, der Rest aus Österreich und der Schweiz. Ziel der Plattform ist es, in Zukunft auch auf dem amerikanischen Markt eine zentrale Rolle zu spielen.
Thorsten, was verdienst du eigentlich?
Die genaue Zahl sage ich nicht. Ich habe ein Haus, eine Frau, ein Kind und das muss natürlich alles finanziert werden. Ich habe früher bei Thyssen-Krupp gearbeitet und bin damals mit einem Jahresgehalt von 50.000 Euro eingestiegen. Jetzt liegt mein Gehalt schon ein bisschen drüber, aber genaue Zahlen sage ich nicht.
Das war jetzt ein sehr direkter Einstieg, aber letztlich wollt ihr das ja auch von euren Kunden wissen…
Wie viel sie verdienen? Ja schon, aber nicht zwingend. Es ist eine Angabe, die die User machen können, um sich hervorzuheben. Es ist keine Pflicht, jeder kann sich auch ohne solche Angaben anmelden. Aber man kann sich natürlich positiv abheben durch einen Realitätscheck und die Männer besonders durch die Angabe ihres Gehalts, was bei den Frauen dagegen relativ unwichtig ist.
Was bietet ihr denn den Nutzern dafür, dass sie solche sensiblen Daten preisgeben?
Wir bieten mittlerweile die größte Plattform in Europa für das Thema „Sugardaddy-Dating“. Die Nutzer wissen, dass wir versuchen, sehr fair zu sein. Man kann recht kurzfristig bei uns kündigen und es gibt keine Controller wie bei anderen Seiten. Es gibt andere Plattformen, die Leute in Afrika oder in Russland beauftragen, die nur dafür da sind, mit den Männern zu chatten und ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Bei uns ist das nicht so, bei uns sind alle User echt. Vielleicht ist mal eine Prostituierte dazwischen oder ein Mann, der kein Geld hat. Das können wir nicht ausschließen. Aber es werden keine Leute von uns dazu engagiert, andere Nutzer für Geld anzuschreiben.
Ihr verkuppelt alte, reiche Männer mit jungen Frauen – empfindest du nicht als ein unmoralisches Angebot?
Ich glaube, da lässt sich trefflich drüber streiten, ob das unmoralisch ist oder nicht. Meine Frau fand das auch früher relativ anstößig. Ich mache das mittlerweile seit sechs Jahren und man sieht erschreckenderweise, wie viele Leute, besonders wie viele junge Frauen, sich da anmelden. Solange es die Nachfrage danach gibt, ist es nicht meine Aufgabe zu urteilen, ob das jetzt anstößig ist oder nicht. Die Leute würden das auch machen, wenn es uns nicht gäbe. Alte Männer und junge Frauen – so ein Porschefahrer mit einer Blondine auf dem Beifahrersitz – ist ja ein typisches Vorurteil und trotzdem gibt es das doch häufig. Wir bieten ihnen die Plattform dafür. Wenn ein 45-Jähriger in einen Club reingeht und zehn Frauen anspricht, würde er sieben Backpfeifen bekommen, schätze ich. Bei uns wissen die Männer, dass hier die Frauen sind, die sie kennenlernen möchten. Und für die Frauen gilt umgekehrt das Gleiche.
Wie werden Nutzer denn miteinander verkuppelt?
Wir nehmen da keine aktive Rolle ein. Die User erstellen sich kostenlos ein Profil. Implizit werden die Leute gepusht, die Bilder hochstellen und besonders viele Angaben machen. Man kann einen Kuss versenden, Profile anstupsen und suchen. Es gibt eine Suchfunktion nach verschiedensten Kriterien, zum Beispiel, Umkreis, Alter, Haarfarbe, Größe, Gewicht oder Einkommen. Wir verdienen erst Geld, wenn die Leute chatten wollen, weil das zahlungspflichtig bei uns ist. Vorher ist alles kostenlos.
Ein Matching-Prinzip ist das aber nicht…
Momentan noch nicht, aber wir möchten in die Richtung gehen. Wenn der eine Mann zum Beispiel immer Blondinen sucht, dann kann man sagen: Diese Userin hat deinen letzten Suchkriterien entsprochen, die könnte dir jetzt also auch gefallen. Aktuell müssen die Kunden noch aktiv selbst filtern und gucken. Worüber sich unsere Kunden in ihrem Chat unterhalten, ob sie sich treffen, zu was die sich verabreden, das wissen wir nicht. Das finden wir nur heraus, wenn wir Presseanfragen haben und die User interviewen wollen. Dann kriegen wir hintenrum mit, was die so machen. Einmal haben welche geheiratet, andere treffen sich nur so zum Shopping oder was dann halt so läuft. Aber eigentlich ist alles anonym für uns. Wir bieten die Plattform und was die dann machen, ist deren Ding.
Welche Daten müssen für die Anmeldung zwingend angegeben werden?
E-Mail-Adresse – die kann gefakt sein, da kann man ja irgendeine nehmen. Alter – kann auch gefakt sein, aber man muss 18 sein. Das muss man auch unterschreiben, da setzt man in unseren AGB einen Haken. Postleitzahl oder Stadt – kann alles gefakt sein quasi. Das reicht. Und dann wird man bei uns im Anmeldeprozess belohnt, wenn man weitere Daten angibt.
Wer meldet sich bei euch auf der Seite an?
Sugardaddys und Sugarbabes eben. Bei den Frauen liegt das Durchschnittsalter ungefähr bei 24 Jahren, also sind schon viele Studentinnen und Auszubildende dabei. Männer ab 35 aufwärts. Viele haben Vorurteile im Kopf wie bei Lugner und Schatzi aus Österreich – er über 80, sie Mitte 20. Aber es kann auch mal sein, dass sie 25 ist und er 35, was jetzt nicht so extrem ist. Manche Frauen kommen auch einfach nicht mit Männern klar, die im gleichen Alter sind, sondern möchten Männer mit Lebenserfahrung und schon etwas Geld, die ein bisschen älter sind. Das ist eigentlich so das Normale. Dass es dann noch Extreme gibt, ist glaube ich überall der Fall.
Die meisten der Nutzer wollen ja vermutlich nicht, dass ihre Aktivitäten auf der Seite öffentlich werden. Wie gewährleistet ihr, dass die Privatsphäre der Nutzer geschützt wird?
Alle Daten, die angegeben werden, werden verschlüsselt, auch die Passwörter und alle Chats. Wenn jemand man bei uns in den Server einbrechen würde, würde man anstelle des Passworts irgendwelche Hieroglyphen sehen und es gibt keinen Entschlüsselungsschlüssel dafür. Wir halten uns an die Datenschutzrichtlinien. Wir geben keine Bilder oder Daten raus. Wir machen relativ viel, um das Mindestmaß an Sicherheit zu gewährleisten: Wir updaten die Server mit der aktuellsten Software und schließen sofort Lücken, die entstehen. Wir hatten noch keinen Fall, in dem wir gehackt wurden. Da sind wir zu klein für und vielleicht auch einfach uninteressanter als Lufthansa, Parship oder die amerikanische Seite Ashley Madison.
Beim amerikanischen Seitensprungportal Ashley Madison wurden 2015 fast zehn Gigabyte Daten offengelegt, darunter auch verschlüsselte Daten, Chatlogs und Kreditkartentransaktionen. Habt ihr eine Strategie, damit so etwas bei euch nicht passiert?
Wir halten so wenige Daten wie möglich vor und versuchen, alle Sicherheitsstandards einzuhalten. Wenn zum Beispiel jemand einen ID-Check macht, also uns eine Personalausweis-Kopie schickt, dann akzeptieren wir diese oder nicht. Wir halten keine Daten davon vor, weil wir einfach denken: Je weniger Daten wir vorhalten, desto weniger kann man klauen. Und die Kreditkarten-Daten werden an unseren Zahlungsanbieter übermittelt, sodass die bei uns gar nicht vorliegen. Und wenn jemand die E-Mail-Adresse von dem User rauskriegt – also wer sich mit Vorname.Nachname@t-online.de anmeldet, ist selber schuld. Was die Fotos angeht: Männer laden eher Bilder hoch, auf denen man sie nicht so erkennt, zum Beispiel von der Seite, im Schatten oder im Auto. Die Frauen laden sogar häufig Fotos hoch, die man auch auf Facebook- oder Instagram-Accounts wieder findet und scheinen weniger Wert auf ihre Privatsphäre zu legen. Die haben vielleicht auch nicht so viel zu verlieren wie ein Mann, der vielleicht Geschäftsführer und verheiratet ist und Frau und Kinder hat.
Hat sich denn trotzdem schon mal ein Nutzer beschwert?
Es gibt ab und zu mal welche, die sich Sorgen machen, aber das ist sehr selten. Das sind meist eher Männer, die nicht möchten, dass ihre Kreditkarten-Daten irgendwo bei uns rumliegen. Da wir ein Abo-Modell haben, müssen wir immer wieder auf die Daten zurückgreifen. Diese Daten liegen aber nicht bei uns, sondern beim Zahlungsanbieter. Und wir geben dann nur die Anweisung, dass die noch einmal belastet wird. Bei uns liegt keine Kreditkarten-Nummer rum. Und ich will die auch gar nicht haben, weil man dann angreifbar ist.
Wie hast du denn eigentlich deine Frau kennengelernt?
[schmunzelt] Das ist mittlerweile zehn Jahre, nein elf Jahre schon her – ganz altertümlich in einer Bar.
Und das sind die Autorinnen Susanne Hoffmann: Geschichten erzählen, Blickwinkel hinterfragen und Hintergründe bieten – das sind für mich wichtige Aufgaben für Journalisten. Im Journalistik-Studium und im Rahmen meines Volontariats beim WDR habe ich das Handwerk dazu gelernt. Bei den Recherchen für das Big-Data-Seminar ist mir klargeworden: In Bezug auf die Zukunft sind Offenheit und Skepsis angebracht. Franziska Weil: Ich wurde in Wiesbaden geboren und bin im Rhein-Main-Gebiet aufgewachsen, ehe es mich wegen meines Journalistik-Studiums nach Dortmund verschlagen hat. Für mein Volontariat bei Focus Online Sport bin ich für ein Jahr nach München gezogen. Am liebsten beschäftige ich mich mit allen Themen rund um den Sport, ich liebe es zu reisen und zu kochen.