Umdenken

Kein Facebook ist auch keine Lösung

Social Media: Facebook

Facebook wird von vielen Seiten kritisiert. Unter anderem sind Datenschutz, Hassnachrichten und Fake-News große Themen. Auch eine Gefährdung der Demokratie wird dem Sozialen Netzwerk vorgeworfen. Bei all der Kritik stellt sich die Frage: Wäre eine Welt ohne Facebook eine bessere Welt? Oder gibt es vielleicht ganz andere Stellen, an denen wir ansetzen könnten?

Erinnerungen teilen, Nachrichten konsumieren oder mit Freunden chatten – soziale Netzwerke sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Besonders Mark Zuckerberg beherrscht mit seinem Unternehmen, zu dem unter anderem die sozialen Netzwerke Facebook und Instagram gehören, den Markt. Laut den offiziellen Nutzungszahlen hatte allein die Plattform Facebook im ersten Quartal 2020 2,6 Milliarden aktive Nutzer. 1,7 Milliarden davon waren jeden Tag aktiv.

Für Milliarden von Menschen weltweit gehören Facebook und Instagram also zum Alltag. Sie nutzen die Plattformen, um sich selbst und ihre Ansichten zu präsentieren, sich über das Weltgeschehen zu informieren oder einfach einen Blick in das Wohnzimmer ihrer Lieblings-Promis zu werfen. Soziale Netzwerke ermöglichen jederzeit und überall eine Vernetzung und unendlich viele Informationen über Ereignisse in der eigenen Stadt und auf der ganzen Welt.

Jede*r kann seine Geschichte teilen

Facebook und Instagram bieten nicht nur für viele einen persönlichen Nutzen, sondern auch neue Möglichkeiten für den gesellschaftlichen Diskurs: Jeder hat online die Chance, mit seiner Geschichte Menschen zu erreichen. Es können Debatten geführt werden, die sonst kein Gehör finden würden.

Genau das sieht auch die Journalistin Yasmine M’Barek als großen Pluspunkt von sozialen Netzwerken an. Sie hat über 24 Tausend Follower auf Instagram und diskutiert und informiert dort unter anderem über deutsche Innenpolitik. „Es gibt dort nicht so viele Begrenzungen wie im normalen politischen Alltag. Menschen, die vorher nicht gesehen und gehört wurden, werden jetzt supportet“, sagt M’Barek. Man könnte Facebook und Instagram also als perfekte Instrumente für den demokratischen Diskurs betrachten.

Kritik wegen Datenschutz-Problemen und „Fake-News“

Doch das ist nur ein kleiner Ausschnitt von dem, was auf den sozialen Netzwerken passiert. Bereits seit vielen Jahren wird Facebook auch immer wieder scharf kritisiert. Besonders Datenschützer beobachten das Unternehmen ganz genau. Sie bemängeln, dass Facebook mit den persönlichen Daten seiner Nutzer zu freizügig umgehe und zu viel speichere. Besonders der Datenschutzskandal durch die Datenanalysefirma Cambridge Analytica im Jahr 2018 brachte Facebook immense Kritik aus der Öffentlichkeit ein. Facebook versucht seitdem, mit Kampagnen und Änderungen im Datenschutz sein Image wieder aufzubessern. Die Kritik hält allerdings an.

Seit Facebook und Instagram mehr und mehr für journalistische Medien und die Nachrichtennutzung relevant geworden sind, steht auch der Begriff „Fake-News“ im Raum. Falschnachrichten lassen sich in den sozialen Medien schnell verbreiten. Eine besondere Gefahr stellen dabei außerdem die sogenannten Filterblasen dar, die durch Facebooks Algorithmen entstehen. Diese Blasen begünstigen, dass Nutzer nur ähnliche Beiträge zu ihren bisherigen Suchen und Interessen angezeigt bekommen. Wer sich seine Meinung durch Falschnachrichten gebildet hat, bekommt deshalb oft keine Gegenargumente auf Facebook oder Instagram geliefert.

Nährboden für Hasskommentare

Auch Hasskommentare spielen in sozialen Netzwerken eine große Rolle. Diese kommen aus verschiedenen Ecken. „Hassnachrichten, die ich bekomme, sind entweder fettfeindlich, sexistisch oder rassistisch“, sagt Yasmine M´Barek. Durch die Anonymität und die Geschwindigkeit des Internets sind auf Social Media Nachrichten und Kommentare zu finden, die in Diskussionen in der Offline-Welt so wahrscheinlich nicht gesagt worden wären.

Auch hier gibt es von Facebook bereits einige Bemühungen, die aber bisher zu keiner großen Veränderung geführt haben. 2017 stellte Mark Zuckerberg neue Mitarbeiter*innen ein, die Hassnachrichten und Gewaltdarstellungen aus seinen sozialen Netzwerken löschen sollen. Doch diese Maßnahme brachte eher negative Schlagzeilen mit sich. Facebook löschte wegen „Anzüglichkeit“ ein Video der schwedischen Krebsgesellschaft zum Thema Brustkrebs und Werke des belgischen Barockmalers Peter Paul Rubens.

In diesem Jahr hat Zuckerberg sogar einen eigenen Supreme Court als unabhängiges Gremium für sein Unternehmen ins Leben gerufen. Rund 40 Expert*innen gehören dazu und sollen sich mit Rechtsstreitigkeiten beschäftigen. Bis jetzt ist das aber alles nur Theorie.

Monopolstellung gefährdet die Demokratie

Neben diesen in der Öffentlichkeit viel diskutierten negativen Seiten von Facebook, sieht Technikfolgenabschätzer Armin Grunwald noch ein ganz anderes Kernproblem des Unternehmens: seine Monopolstellung. Zwar gibt es Alternativen zu Facebook und Instagram, jedoch nutzen die Menschen diese wesentlich weniger. „Wer zuerst da ist, hat zuerst die meisten Daten. Dadurch steht er ganz oben und bekommt noch mehr Daten und so weiter. Da ist eine inhärente Tendenz zum Monopolisten angelegt“, so Grunwald.

Diese Monopolstellung ist nicht nur für die Mitbewerber ein Problem, sondern auch für unsere Gesellschaft. Armin Grunwald sagt klar: Facebook gefährdet unsere Demokratie, weil das Unternehmen die tägliche Kommunikation beeinflusst und keiner demokratischen Kontrolle unterliegt. Außerdem gibt es keine gleichwertigen Alternativen mit einem ähnlichen Angebot, auf die wir umsteigen könnten.

Ein Leben ohne Facebook?

Bei all der Kritik stellt sich die Frage, ob unser Leben ohne Facebook ein besseres wäre. Würde ein solcher Wegfall vielleicht sogar die Demokratie stärken? Zugegeben: Dass Mark Zuckerberg auf einmal alle Zelte abbricht, sein Unternehmen auflöst und sich in ein Kloster zurückzieht, ist eine Utopie. Trotzdem lohnt es sich, in diese Richtung weiterzudenken und die Fragen zu stellen: Verbessert eine Welt ohne Facebook den Datenschutz? Gäbe es weniger Hass und Fake-News?

Zunächst einmal die Sache mit den Daten. Natürlich steht Facebook dafür zurecht in der Kritik. Doch das Unternehmen ist längst nicht mehr das einzige, das Kundendaten in großen Mengen speichert. Die besten Beispiele sind Google und Amazon. Auch hier werden wir im Netz auf Schritt und Tritt beobachtet. Unsere Daten werden also auch ohne soziale Netzwerke von vielen Unternehmen gespeichert.

Der zweite große Kritikpunkt an Facebook und Instagram sind Hassnachrichten und Fake-News. Jeder kann ungefiltert posten, was auch immer er möchte. Gäbe es diese Möglichkeit nicht mehr, würden Reichweite und Geschwindigkeit der Verbreitung von falschen Nachrichten, rassistischen Kommentaren oder auch Verschwörungstheorien abnehmen. Allerdings: Der Kern des Problems ist dadurch nicht gebannt. Rassistisches Gedankengut, falsche Behauptungen und Verschwörungstheorien würde es auch weiterhin geben. Auch eine Verbreitung würde stattfinden, ob durch Mund-zu-Mund-Propaganda oder verschiedene Webseiten im Netz. Soziale Medien sind nicht dafür verantwortlich, dass es diese Gedanken und Behauptungen gibt. Sie helfen „nur“ bei ihrer Verbreitung.

Facebook ist nicht das einzige Monopol

Seine Monopolstellung, und damit den wesentlichen Kritikpunkt von Technikfolgenabschätzer Armin Grunwald, würde Facebook ohne seine Existenz natürlich nicht innehaben. Damit wäre das Kommunikationsverhalten von Milliarden Menschen nicht mehr von einer demokratisch unkontrollierten Instanz beeinflusst und es gäbe kein Ohnmachtsgefühl bei den Nutzern.

Es bestünde allerdings die Gefahr, dass ein anderes soziales Netzwerk diesen Platz einnimmt und ebenso zu einem Monopol wird. Viel wichtiger ist aber: Facebook ist momentan nicht das einzige digitale Monopol, welches diese Eigenschaften besitzt. Auch Amazon und Google werden von Milliarden Menschen genutzt, scheinen für viele alternativlos in ihrem Bereich und stellen deshalb ebenso eine Gefahr für die Demokratie dar. Grunwald selbst geht davon aus, dass die Monopolisten und besonders Facebook nicht vom Markt verschwinden müssen, um einer Gefährdung der Demokratie entgegenzuwirken.

Facebook zeigt, wo die Probleme liegen

Um eins klar zu machen: Dieser Text soll kein Plädoyer für Facebook werden oder das Unternehmen in irgendeiner Art und Weise schönreden. Viele Kritikpunkte sind gerechtfertigt und sicherlich könnte Facebook selbst vieles verbessern. Es geht aber darum, dass Facebook allein nicht schuld an vielen dieser Probleme ist.

Es bringt nichts, einfach nur zu sagen: Facebook gefährdet unsere Demokratie, ohne das Unternehmen wäre alles besser. Durch soziale Netzwerke wie Facebook kommen Probleme ans Licht, die es in unserer Gesellschaft gibt und auch schon vor Facebook gab. Es gilt, möglichst an der Entstehung anzusetzen, um diese Probleme zu bewältigen und die Demokratie so auch weiter zu stärken.

Mehr Regulierung, mehr demokratische Kontrolle

Für das Problem der Monopolisten-Macht hat Grunwald einen sehr konkreten Vorschlag. Die großen Wirtschaftsräume sollten Facebook ihre Regeln aufdrücken. Besteuerung und Datenschutz sind nur zwei der Punkte, in denen Europa und auch Deutschland Facebook durch Gesetze mehr in seine Schranken weisen und so eben auch für die fehlende „demokratische Kontrolle“ – wie Grunwald es ausdrückt – sorgen könnten. Erste Maßnahmen zeigen Wirkung. Das jüngste Beispiel ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, dass Facebook Daten aus verschiedenen Portalen ohne weitere Einwilligung der Nutzer nicht einfach zusammenzuführen darf. Das Bundeskartellamt hatte diese Art der Datenverarbeitung bereits im Februar 2019 verboten, Facebook hatte sich darüber beschwert. Das Bundeskartellamt bekam nun Recht.

Auch in Bezug auf Hasskommentare gibt es bereits einige Versuche der Regulierung. Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) will die Bundesregierung gegen Hass im Netz vorgehen. Das Gesetz dient laut dem Bundesjustizministerium zur „Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in Sozialen Netzwerken“ und ist seit 2017 in Kraft. Bisher blieben große Erfolge allerdings aus.

Verschärfte Gesetze

Deshalb wurde in diesem Jahr eine Überarbeitung veröffentlicht. Das Netz DG 2.0 beinhaltet eine Verschärfung des Strafrechts für öffentliche Beleidigung, zum Beispiel im Netz. Es sieht etwa vor, dass Netzwerke Straftaten wie Volksverhetzung direkt der Staatsanwaltschaft melden müssen.

Für diese Vorschläge erntet die Politik ebenso viel Kritik. Trotzdem ist der Entwurf ein wichtiger Schritt. Die Rechtslage im Internet und vor allem in den sozialen Medien ist in großen Teilen immer noch unklar. Wichtig ist deshalb, sich überhaupt erst einmal Gedanken über das Recht im Netz zu machen. Nur, wenn es Regeln gibt und Facebook auch dazu gebracht wird, diese einzuhalten, kann sich langfristig etwas an der Diskussionskultur in sozialen Netzwerken ändern. Diskriminierung und Hass sind gesamtgesellschaftliche Probleme, die immer wieder thematisiert werden sollten, in verschiedenen Bereichen. Es wird immer Menschen geben, die sich unangemessen äußern, offline und online. Es ist wichtig, diesen Menschen klar zu machen, dass ihre Äußerungen auch im Internet nicht geduldet werden.

Falschmeldungen erkennen durch Medienkompetenz

Im Bereich der Fake-News sollten wir wesentlich grundlegender ansetzen und uns fragen: Warum können Falschnachrichten überhaupt so viele Menschen erreichen? Warum nehmen sie diese so unreflektiert an? Eine Ursache dieses Problems ist die fehlende Medienkompetenz.

Soziale Medien gehören schon für die Jüngsten heutzutage zum Alltag. In den Schulen spielen sie aber keine Rolle. Schon in der Grundschule lernen Kinder das Fahrradfahren, um auf den Straßenverkehr vorbereitet zu sein. Wieso gibt es nicht auch so etwas wie einen „Social-Media-Führerschein“? Schließlich muss man auch im Netz viele Regeln beachten, damit man sich zurechtfindet. Schüler*innen sollten früh lernen, woran sie seriöse Medien und Nachrichten in den sozialen Netzwerken erkennen und wie sie mit Falschnachrichten umgehen können. Außerdem ist es wichtig zu verstehen, dass auf Facebook und Instagram immer nur ein Ausschnitt der Welt zu sehen und vieles davon nicht echt ist.

Kritik bliebe auch ohne Facebook bestehen

Schlussendlich lässt sich feststellen, dass in einer Welt ohne Facebook viele Kritikpunkte trotzdem vorhanden wären. Durch Social Media werden Probleme ersichtlich, die es auch abseits von ihnen in unserer Gesellschaft gibt. Deshalb gilt es, Ursachen für Probleme zu finden und den Umgang mit Sozialen Medien in unsere Bildung zu integrieren.

Es sollte ein Bewusstsein dafür entstehen, was das Internet und vor allem soziale Netzwerke bewirken können und warum. Auch die Politik sollte konsequenter versuchen, die Regeln des eigenen Landes im Netz durchzusetzen. Zusätzlich bleibt zu hoffen, dass auch Facebook selbst sich der Kritik annimmt und etwas verändert. So könnten die sozialen Netzwerke des Unternehmens in absehbarer Zeit unsere Demokratie nicht mehr gefährden, sondern durch eine offene und demokratische Diskussionskultur vielleicht sogar bereichern.

Die Interviews zum Beitrag

Armin Grunwald

Die Macht der Monopole: Facebook und die Demokratie

Technikfolgenabschätzer Armin Grundwald spricht über die Folgen von Facebooks Monopolstellung für die Demokratie

Journalistin Yasmine M´Barek

Zwischen Mode und Politik: Social Media als Chance für die Demokratie

Journalistin Yasmine M´Barek spricht darüber, wie sie ihre Reichweite für „politisches Instagram“ nutzt.