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Zwischen Mode und Politik: Soziale Netzwerke als Chance für die Demokratie

Journalistin Yasmine M´Barek

Interview mit Yasmine M’Barek, Journalistin

Yasmine M´Barek ist 21 Jahre alt, freie Journalistin und studiert in Köln Wirtschaftsjournalismus. Ihren Themenschwerpunkt deutsche Innenpolitik behandelt sie nicht nur in ihren journalistischen Texten, sondern auch auf ihrem Instagram Kanal. Neben Bildern von Parfüm und Schmuck diskutiert sie dort mit ihren 24 Tausend Followern über die PKW-Maut oder die Anschläge in Hanau.

Frau M’Barek, wie sind Sie dazu gekommen, auf Ihrem Instagram-Account auch politische Ereignisse zu thematisieren?


Yasmine M’Barek: Es gab nicht einen ausschlaggebenden Moment dafür. Das war eher ein Prozess. Ich habe meinen jetzigen Account schon seit meiner Schulzeit und habe ihn damals ganz normal privat genutzt. Mit 18 habe ich mich dann vermehrt persönlich politisiert. Und ich glaube, es kam mit der Hetzjagd in Chemnitz damals, dass ich auch mehr mit bildungspolitischen Accounts auf Instagram in Berührung kam.

So habe ich mich dann mit dieser Thematik mehr beschäftigt, meinen Horizont erweitert und meine politische Meinung weiter gefestigt. Es war also ein Lernprozess, der sich dann auch auf meinen Kanal ausgewirkt hat. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal 24 Tausend Follower habe. Es war auch nie mein Ziel, mir eine große Plattform mit vielen Leuten aufzubauen. Auch der Journalismus war erst ganz abseits davon eine private Sache, die ich dann aber gut mit dem Account verbinden konnte.

Neben politischen Beiträgen posten Sie ja auch Bilder von Schmuck oder Selfies. In welcher Rolle sehen Sie sich selbst jetzt auf Ihrem Kanal? Sind Sie Privatperson, Journalistin oder vielleicht Influencerin?


Ich bin mir in einer Sache sehr sicher: Der Account und alles, was ich dort poste, spiegelt mich als Person wider. Ich versuche politisch zu sein, habe aber die Last der liberalen Schönheit. Ich meine damit, dass ich zum Beispiel auch auf bestimmte ästhetische Sachen stehe. Instagram war eigentlich immer der Ort, wo alles zusammenkommt, was mich gerade beschäftigt, sowohl beruflich als auch ästhetisch. Und das hat sich im Laufe der Zeit einfach so gebündelt. Ich glaube, dass das manche Leute erstmal irritiert. Aber wenn man meine Sachen öfter schaut oder liest, dann versteht man, dass das eine Zusammenkunft von allem ist.

Oft kommen die Fragen, ob ich Aktivistin, Influencerin oder Bloggerin bin. Das bin ich aber nicht. Ich habe meinen eigenen Begriff dafür gefunden. Ich nenne es politisches Instagram. Dieser Begriff passt am besten, weil ich journalistische Themen und Debatten aufgreife und auch viele politische Meinungen dort vertrete.

Welche politischen Themenschwerpunkte behandeln Sie auf ihrem Kanal? Gibt es auch Themen, bei denen Sie sich eher bedeckt halten und Ihre Meinung nicht äußern?


Politisch geht es auf meinem Account vor allem um Themen, mit denen ich mich auch selbst beschäftige. Meine Themenschwerpunkte sind wirtschaftspolitischer Journalismus und Politik, besonders Innenpolitik. Das sind meine Interessensgebiete und auch die Gebiete, in denen ich mich am besten auskenne. Zusätzlich gibt es dann noch Themen, wie zum Beispiel Corona oder rassistische Unionspolitiker, bei denen ich finde, dass man einfach darüber sprechen muss. Weil ich auch den Austausch mit den Menschen, die mir folgen, sehr spannend finde. Manchmal stoßen mich auch Follower auf Themen an.

Es gibt aber auch Themen, über die ich sprechen will, bei denen ich selbst aber nicht das Wissen habe und mich nicht in der Rolle fühle, sie zu thematisieren. Das sind zum Beispiel Themen wie aktivistische Arbeit, Bildungspolitik oder Antirassismus. Da poste ich dann lieber den Content von anderen Leuten, die sich mehr damit auskennen.

Wie bewerten Sie die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung im Netz? Einerseits haben Sie so die Möglichkeit, politische Themen ganz offen anzusprechen. Andererseits bekommen so aber auch zum Beispiel rassistische Kommentare eine Bühne.


Zum Thema Rassismus: Ich finde es gesellschaftlich gesehen immer sehr spannend, dass behauptet wird, das Internet würde eine rechte Meinung ermöglichen. Meiner Meinung nach zeigt das Internet nur, wie weit verbreitet sie ist. Deshalb finde ich es einerseits gut, dass sich rechte Online-Netzwerke oder Facebookgruppen herauszentrieren, weil die Leute immer sagen: Das gibt es bei uns nicht mehr. So wird deutlich: Das gibt es eben doch noch. Das Internet zeigt einfach, wie groß Rassismus auch im Westen ist, im Gegensatz zu der Verneinung, die auch gerade politisch stattfindet.

Andererseits ist es eben schwierig, weil zum Beispiel rechte YouTuber in ihrem Dorf ohne das Internet niemals so eine Plattform hätten. Allerdings sind diese 140.000 Leute, die das dann supporten, trotzdem Nazis und stimmen dem zu. Ob die ohne das Internet niemals rechte Meinungen gefunden oder an den rechten Rand gekommen wären, das wage ich zu bezweifeln. Du wirst kein Neonazi, nur, weil du dir ein rechtes Video anguckst. Die Gedanken hast du schon vorher.

Sind Sie selbst auf Ihrem Kanal schon einmal mit rassistischen Kommentaren oder anderen Hassnachrichten in Berührung gekommen?


Ich vereine drei Punkte, die diese Hass-Area im Internet ganz toll findet. Ich bin eine Frau, ich bin Plus-Size und ich bin nicht komplett weiß. Hassnachrichten, die ich bekomme, sind entweder fettfeindlich, sexistisch oder rassistisch. Besonders Rechte, also AFDler, Neonazis und auch die ganzen anderen rechten Trolle, haben mich auf dem Kieker. Allerdings beschäftige ich mich auf meinem Account nicht so sehr mit Antirassismus wie andere, die da teilweise Drohungen bekommen und wirklich Angst haben müssen. 

Das klingt aber trotzdem nach ziemlich heftigen Nachrichten. Sie reden sehr gefasst darüber. Wie schaffen Sie es, so gelassen mit dem Thema umzugehen?


Mir war bewusst, wenn ich das im Internet so thematisiere und meine Reichweite wächst, dann kommen auch Hasskommentare. Ich würde mich auch als Person bezeichnen, die da sehr rational ist. Also ich weiß, dass Nachrichten von Nazis kommen, dass fetten-feindliche Nachrichten kommen und ich weiß auch, dass Kritik kommt, weil man mich als Person nicht mag, dass Kritik kommt, weil man Angst hat vor dem Diskurs. Das muss man differenzieren können, von Anfang an. Ich hatte bis jetzt das Glück, dass ich das gut hinbekommen habe. Aber man kann natürlich nie sagen, dass einen Sachen nicht treffen oder auch einfach ziemlich nerven. Diese Hasskultur im Internet ist aus dem psychologischen Blick einfach sehr anstrengend, weil sie auch noch mal deutlich macht, wo wir gesellschaftlich teilweise stehen.

Auf der anderen Seite bekomme ich auf zehn Hassnachrichten zu einem Thema auch 100 zustimmende Nachrichten. Und ich bemühe mich auch, bei meiner Arbeit immer für konstruktives Diskutieren offen zu sein. Das wird auch viel genutzt. Es gibt viele, die nicht meiner Meinung sind. Aber dann wird diskutiert und manchmal sehe ich dann auch etwas ein, oder die Leute sehen etwas ein. Genau so einen Diskussionskonsens wollte ich auf meinem Account immer verfolgen.

Glauben Sie, dass Sie mit Ihrer Arbeit in den sozialen Medien dazu beitragen können, dass sich auch diese Menschen, die Hassnachrichten schreiben, mit anderen Meinungen auseinandersetzen? 


Ich habe eine gewisse Reichweite, die mit Verantwortung einhergeht. Davon bin ich überzeugt. Ich glaube aber, es wäre sehr narzisstisch zu sagen, dass die eigene Meinung die Debatten-Kultur bereichert. Das ist etwas, woran man sich immer erinnern muss. Nur, weil man eine Meinung vertritt und die von ein paar Leuten getragen wird, ist man nicht automatisch bereichernd für den Diskurs.

Und ich sehe da auch einfach die Gefahr: Medienschaffende, egal ob Journalisten, Influencer oder Blogger, schöpfen viele Möglichkeiten der sozialen Medien aus. Und dabei merkt man, dass so eine Verschmelzung stattfindet. Die Menschen wissen nicht mehr, wo ihre Kompetenzen sind und wo diese hingehören. Ich fand es zum Beispiel sehr kritisch, dass in den letzten paar Monaten bestimmte Influencer, die eigentlich aus dem Fashion-Bereich kommen, angefangen haben, mit Friedrich Merz oder Philipp Amthor zu reden. Die jungen Leute vertrauen natürlich darauf. Da sehe ich so ein bisschen den Journalismus gefährdet, weil eben jeder alles posten kann. Für Interviews mit Politikern sollte man sich aber mit dem Grundhandwerk auskennen.

Die freie Meinungsäußerung in sozialen Netzwerken hat also auch ihre Schattenseiten. Glauben Sie, es wäre für die Demokratie in Deutschland besser, wenn es Facebook und Co. einfach gar nicht mehr geben würde? Oder überwiegen doch die Vorteile, die soziale Medien mit sich bringen?

Ich glaube, dass soziale Netzwerke einerseits gut für die Demokratie sind, weil gerade marginalisierte Stimmen im Internet viel mehr vertreten werden können als vorher. Es gibt dort nicht so viele Begrenzungen wie im normalen politischen Alltag. Menschen, die vorher nicht gesehen und gehört wurden, werden jetzt supportet. Andererseits gibt es natürlich auch negative Seiten für unsere Demokratie, zum Beispiel den Rassismus. Ich würde sagen, das ist 50 zu 50. Es gibt genauso viele Vor- und Nachteile für die Demokratie mit Internet und sozialen Medien wie in einer Welt ohne sie.

Wenn Sie die Chance hätten, einige dieser Nachteile zu nehmen, wie würden Sie Instagram, Facebook und Co. verändern?

Ich würde dafür sorgen, dass antisemitistische und rassistische Meinungen überhaupt keinen Zugang zu sozialen Netzwerken finden können. Also alles, was wirklich belegt diskriminierend und falsch ist. Da würde ich mir wünschen, dass es so etwas gibt wie einen Filter, damit die Reichweite von Antisemiten und Rassisten sinkt. Als zweiten Punkt wünsche ich mir mehr Fact-Checking für alles, was ins Internet gestellt wird.