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Die Macht der Monopole: Facebook und die Demokratie

Armin Grunwald über die Monopol-Stellung von Facebook

Interview mit Armin Grunwald, Experte für Technikfolgenabschätzung

Armin Grunwald ist Experte im Gebiet der Technikfolgenabschätzung. Der studierte Philosoph und Physiker leitet seit 21 Jahren das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) in Karlsruhe und beschäftigt sich dort unter anderem mit dem Schwerpunkt der Digitalisierung. Auch der Deutsche Bundestag vertraut auf seine Fähigkeiten: Seit 2002 hat er dort die Leitung des Büros für Technikfolgenabschätzung inne. Sein Wissen gibt der 60-Jährige als Inhaber des Lehrstuhls für Technikphilosophie und Technikethik am Karlsruher Institut für Technologie und durch diverse Publikationen weiter.

Herr Grunwald, Sie sind Technikfolgenabschätzer. Eine Berufsbezeichnung, die nicht unbedingt jedem geläufig ist. Was genau kann man sich darunter vorstellen?


Armin Grunwald: Das Besondere an unserer Forschung ist eigentlich, dass wir erforschen, was es noch gar nicht gibt, nämlich Technikfolgen. Und besonders auch Technikfolgen, die es vielleicht nie geben wird, weil man das vorher nie genau weiß. Unsere Arbeit hat also mit prospektivem Wissen zu tun; Wissen über wahrscheinliche Folgen. Dabei geht es um Chancen und Risiken von Technik und die Frage nach Abwägung. Wie kann man die Chancen möglichst gut realisieren und wie hält man dabei das Risiko möglichst klein?

Unsere Aufgabe ist es dann, dieses Wissen in die gesellschaftliche Meinungsbildung und vor allem auch in die politische Entscheidungsfindung zurückzuspielen. Unsere Arbeit ermöglicht es, dass man einen Lernzyklus vor Entscheidungen einbaut. Man vergewissert sich über das mögliche Spektrum der Folgen und kann so auch ein bisschen steuern, welche man fördern will und welche nicht. Wir sorgen also dafür, dass wir nicht blind in eine technische Zukunft laufen, nur weil Ingenieure das Blaue vom Himmel versprechen. Letztlich geht es darum, reflektiert Chancen und Risiken abzuwägen und dann handlungsorientiert durch Maßnahmen möglichst weit auf der guten Seite zu landen.

Sie arbeiten auch für den Deutschen Bundestag und haben gerade schon angedeutet, dass Ihre Arbeit für politische Entscheidungsfindungen genutzt wird. Würden Sie sagen, dass die Wahrung der Demokratie in Deutschland Ihren Job prägt?


Ja, sogar sehr stark. Die Folgendimensionen von Techniken beziehen sich oft auf Folgen für die Demokratie. Die Technikfolgenabschätzung hat außerdem auch ihren Ursprung in der Mitte der Demokratie. Sie ist im amerikanischen Kongress erfunden worden, zur Stärkung der Demokratie. Das war eine Reaktion auf die Technokratie-Debatte in den 60er/70er-Jahren. 

Worum genau ging es in dieser Debatte?


Schon damals gab es den Gedanken, dass man – wenn Entscheidungen im politischen Bereich durch Technologien immer komplexer werden – Experten an seiner Seite braucht, die wissen, was mit den Entscheidungen verbunden ist. Andernfalls sahen die Politiker die Gefahr, keine eigenen Entscheidungen mehr treffen zu können, weil sie deren Folgen nicht absehen könnten. Dann müssten sie blind der Meinung von Experten vertrauen und ihnen hinterherlaufen. In diesem Fall würde aus einer Demokratie schleichend eine Technokratie, eine Expertenherrschaft. 

Durch die Technikfolgenabschätzung können Politiker in Zusammenarbeit mit Experten ihre Entscheidungen treffen.

Und auch heute noch ist diese Zusammenarbeit für die Demokratie entscheidend?


Ja, das Thema ist auch heute ganz aktuell. In der digitalen Welt erleben wir es immer wieder, dass zum Beispiel Algorithmen überhaupt nicht mehr verständlich sind, teilweise auch von Informatikern nicht mehr verstanden werden. Es ist nicht mehr nachvollziehbar, wie das, was man reinsteckt, mit dem zusammenhängt, was rauskommt. Dann wird das Ganze zu einer Blackbox und man kann am Ende nur noch glauben oder nicht glauben. Das ist dann keine schöne Geschichte für die Demokratie, die ja eigentlich diese Nachvollziehbarkeit immer transparent haben will.

Transparenz ist also ein großes Thema. Welche aktuellen Entwicklungen sehen Sie in dieser Hinsicht als besonders kritisch an? Sind beispielsweise undurchsichtige Monopolstrukturen wie bei Facebook, Google oder Amazon ein Problem?


Sie sind ein Riesenproblem, weil auch sie eine Blackbox sind. Man weiß nicht genau, was sich in dieser Blackbox tut. Ich meine, die machen tolle Produkte. Vieles gab es vorher noch nicht und Menschen nutzen die Produkte mit großem Gewinn. Man sollte diese Nutzungsseite nicht klein machen. Aber: Indem sie eben das Kommunikationsverhalten von Millionen von Menschen beeinflussen, haben sie Folgen für politische Kommunikation und die Demokratie. 

Mark Zuckerberg beispielsweise sagt ja: „Bei uns ist Meinungsfreiheit oberstes Prinzip und danach kommt lange gar nichts“. Das demokratische Prinzip ist aber, dass jedes Recht nur in den Grenzen anderer Rechte gilt. Es gibt kein absolutes Recht. Das sieht Mark Zuckerberg anders und macht seine Produkte auch entsprechend seines Verständnisses. Das hat dann einfach Folgen, die keiner demokratischen Kontrolle mehr unterliegen, die aber das Verhalten von hunderten von Millionen Menschen prägen.

Warum gelingt es Facebook und Co. überhaupt, ihre ganz eigenen Regeln aufzustellen?


Solche Monopolisten haben nur die Macht, die ihnen gelassen wird. Im amerikanischen Wirtschaftsmodell ist diese Macht kaum begrenzt. Was ich gut finde, ist, dass die Europäische Union in den letzten Jahren ein bisschen selbstbewusster geworden ist in der Durchsetzung eigener Prinzipien. Nicht alle mögen die Datenschutzgrundverordnung, die ist auch mühsam und sorgt für viel Bürokratie. Aber sie hat schon gezeigt, dass es Regeln gibt, die beachtet werden sollen. Es hat auch ein paar Gerichtsurteile gegeben, die den Monopolisten Grenzen gesetzt haben. So haben die Unternehmen gemerkt, dass es auch Gegenwind gibt. Da sehe ich schon erste Anzeichen, dass sich etwas tut.

Warum ist es so wichtig, besonders Monopolisten im Hinblick auf die Demokratie im Auge zu behalten? 


Monopolisten wie Facebook verführen viele Menschen dazu, einfach zu glauben: Da kann man eh nichts machen. Das nennen wir in der Technikfolgenabschätzung technologischer Determinismus oder Technik-Determinismus. Eine fatalistische Grundhaltung vieler Menschen, dass man mit seinem Verhalten nichts ändern kann. Und damit haben sie bei Konzernen wie Facebook leider nicht ganz unrecht. 

Wir haben ja in vielen Wirtschaftsbereichen in den letzten Jahren die Macht der Konsumenten deutlich gesteigert. Also heute kann man, wenn man zum Beispiel Fleisch kauft, es nach seinen tier-ethischen Vorstellungen aussuchen. Und mit seinem Kaufverhalten stimmt man dann ab und dadurch wird auch die Produktionskette beeinflusst.

Im Internetgeschäft und speziell auch in den sozialen Medien können wir gar nicht viel auswählen. Ich weiß, es gibt zum Beispiel alternative Suchmaschinen. Aber Google ist nun mal am besten. Das Fatale im digitalen Bereich ist: Wer zuerst da ist, hat zuerst die meisten Daten. Dadurch steht er ganz oben und bekommt noch mehr Daten und so weiter. Da ist eine inhärente Tendenz zum Monopolisten angelegt. Als Endverbraucher digitaler Dienstleistungen hat man also anders als im Supermarkt keine Auswahl und durch sein Verhalten keinen Einfluss. Das ist schon fatal. 

Was sollte sich Ihrer Meinung nach ändern, damit auch auf dem digitalen Markt das Verhalten der Verbraucher wieder mehr Gewicht hat?

Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass wir Kunden, wie in einem Supermarkt, in dem wir zwischen fünf verschiedenen Senfsorten aussuchen können, auch zwischen fünf verschiedenen Facebooks auswählen können. Es könnte dann zum Beispiel unterschiedliche ethische und Datenschutz-Standards geben und für extra Standards müsste man vielleicht auch etwas bezahlen. Viele Menschen sind ja durchaus bereit, zum Beispiel für Ökolebensmittel, ein bisschen mehr zu bezahlen als für andere. Das ist also schon machbar.

Natürlich dauert das seine Zeit. Aber wenn wir mal einen Blick zurückwerfen: Wir hatten in Deutschland auch im Energiebereich bis in die 90er-Jahre hinein eine Struktur, in der vier Giganten das Geschäft unter sich aufgeteilt haben. Die hatten quasi eine Monopolstellung. Mit der Energiewende hat sich das verändert. Jetzt wird deren alte Macht immer kleiner und es gibt neue Akteure, die im Markt mitmischen. Die Landschaft diversifiziert sich. Man darf also aus der Tatsache, dass die Machtverteilung heute extrem einseitig und nicht demokratiefördernd ist, nicht schließen, dass es immer so bleibt.

Es ist also möglich, Formen von Facebook zu behalten, die nicht mehr demokratieschädlich sind?

Ja, genau. Da habe ich einfach Vertrauen, auch in die Informatiker und Ingenieure, dass so etwas geht. Es sind die Anreizsysteme, die noch nicht so gut funktionieren. 

Wer könnte diese Anreize denn schaffen? Würde Ihrer Meinung nach Mark Zuckerberg selbst Facebook in diese Richtung verändern?

Ich kenne ihn ja nicht persönlich, aber so wie er in den letzten zwei, drei Jahren öffentlich aufgetreten ist, habe ich das Gefühl, er wohnt in seiner eigenen Filterblase und wird da auch nichts dran ändern. Es sind die großen Wirtschaftsräume, die entscheidend sind.

Facebook verdient das Geld in den USA und Europa, Lateinamerika und Südostasien. Diese großen Wirtschaftsräume sollten verstärkt ihre eigenen Regeln, also hier bei uns die europäischen Regeln, durchsetzen und nachverfolgen, bis hin auch zu Besteuerungsfragen. Diese Konzerne verdienen bei uns Geld, bezahlen aber keine Steuern. Das geht nicht. Und das wäre durchaus möglich zu ändern. Das muss politisch natürlich gewollt werden. Auch, wenn das Internet und Social Media global funktionieren, sind hoheitliche Rechte ja nicht außer Kraft gesetzt. Globale Regeln werden nicht funktionieren, ich setze hier stärker auf Europa.

1 Kommentare

  1. Pingback: Kein Facebook ist auch keine Lösung - Digitale Zukunft

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