Michael Muscheid ist Redaktionsleiter der Redaktion der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in Herne. Mit uns hat er über das sein Idealbild von Lokaljournalismus gesprochen, die Konkurrenz zu lokalen Facebook-Gruppen und sein Rollenverständnis als „Vor-Ort-Informierer“ in der Stadt.
Würdest du dich heute nochmal so für deinen Beruf entscheiden?
Unbedingt, ich finde den Beruf unglaublich spannend. Weil immer wieder Neues zu machen ist, wir immer wieder anders arbeiten als vorher und sich das Berufsbild wandelt. Ich finde das wirklich spannend und interessant.
Schaust du eher positiv in die Zukunft des Lokaljournalismus?
Klar, unser großer Vorteil ist das Lokale: ich schaue deshalb verhalten optimistisch in die Zukunft. Verhalten deshalb, weil noch nicht klar ist, ob die Zukunft der Zeitung im Netz liegt. Im Lokalen sind wir die Vor-Ort-Informierer. Wir können Gegenchecken und Bewerten, dass ist unser dickes Plus, das machen wir auch. Unsere Aufgabe ist ja auch die Bürger umfassend zu informieren. Aber ich sehe durchaus die Konkurrenz in diversen Facebook-Gruppen. In denen wir uns aber auch längst tummeln. Und wir sind gut, wenn wir schnell sind: So kann es schon mal passieren, dass die Meldung über einen Brand bei uns schneller online ist, als die Feuerwehrleute selbst vor Ort sind.
Das ist unser Anspruch. Früher hätte man gewartet, der Sonntagsdienst kommt rein und macht die Meldung für den nächsten Tag.
Ist Objektivität möglich? Besonders im Lokaljournalismus? Wie wichtig ist Meinung?
Hm, das Feedback, dass Leute an unserer Meinung, an unseren Kommentaren interessiert sind, bekommen wir schon regelmäßig. Natürlich ist es ihnen wichtig überhaupt informiert zu sein, aber das Einordnen heben viele Leser als gute Eigenschaft heraus.
Hast du ein besonderes Credo was Objektivität und Unvoreingenommenheit angeht?
Objektivität hat ja seine Grenzen. Aber unser Anspruch ist, so objektiv wie möglich zu sein. Wir lassen Sachen oft liegen, wenn wir da keine Quelle auftreiben können.
Bei Zweifeln hören wir immer nach oder warten, bis wir eine Bestätigung für eine Nachricht haben. Müssen generell immer wieder buddeln und graben.
Muscheid: „Wir sind sozusagen die Stimme der Bürger in der Stadt!“
Was sagt dir Konfliktsensitivität? Journalismus als Konfliktbereiniger?
Das hat sich gewandelt. Vor ein paar Jahren, war es: wir hier oben ihr da unten. Wir als Zeitung auf einer anderen Ebene, wir berichten für euch. Das hat sich geändert. Wir haben eine Bürgerseite, „Ihr Tipp unser Thema, Topps und Flops“, wo es nur um Konflikte und Probleme der Bürger geht. Wir sind da sozusagen die Stimme der Bürger der Stadt! Manchmal mischen wir uns aber auch nicht ein, Nachbarschaftsstreit, das sollen Gerichte klären. Seit sieben oder acht Jahren geht die Entwicklung also in Richtung Bürgerzeitung.
Hast du überhaupt Zeit das, was du tust, noch zu reflektieren oder ist man einfach so im Fluss?
Ja, Zeit und Muße hat man dafür wenig. Wir arbeiten, wie eine typische Tageszeitung, von heute auf morgen und für ein schnelles Online-Medium von jetzt auf gleich. Sind spontan in unserer alltäglichen Arbeit. Wir nehmen uns in den Konferenzen Zeit für ein kurzes Brainstorming, aber Zeit für eine umfassende Reflektion haben wir eher abends, dann allein zuhause, dass ich da sitze und denke: War das heut eigentlich vernünftig so.
Hat auch der Lokaljournalismus eine Vertrauenskrise beim Publikum?
Ich glaube nicht. Die Leute honorieren, was wir machen. Wenn wir zu Terminen raus gehen, merken wir, dass die Leute unsere Arbeit wertschätzen. Aber was man auch schon merkt, ist das wir nicht mehr überall so wichtig sind wie früher, vor allem durch die Verbreitung von Nachrichten durch die sozialen Netzwerke. Als Beispiel: wir bekommen nicht mehr jede Meldung. Manchen Veranstaltern reicht es, dass sie im Internet stehen, manch einer informiert die Lokalzeitung nicht mehr über Veranstaltungen. Und klar: Manchmal erhalten wir über Facebook Kritik. Wenn ein Name falsch geschrieben ist, heißt es dann gleich ihr habt komplett falsch recherchiert. Deswegen verlieren wir aber das Vertrauen nicht.
Was läuft falsch in der Medienlandschaft?
Ich glaube durch die sozialen Medien, verstehen sich viele als Journalisten, als Berichterstatter, das Feld ist weit geworden, es wird viel ausprobiert, man weiß nicht, wo der Weg endet. Früher war das ganz anders: Drei Programme und seine Zeitschriften. Heute wird in den Netzwerken soviel Ungefiltertes oder sogar Falsches rausgehauen , dass der Nutzer nicht mehr weiß, was er glauben soll. Falsche Nachrichten finden die Leute ja massenweise im Netz und das schlägt schon mal auf uns nieder.