Wenn Politik Journalismus macht
Susanne Hoffmann und Svenja Kloos
17. Juli 2019
Früher führte kein Weg an den klassischen Medien vorbei – ein Politiker war auf sie angewiesen, wenn er seine Botschaften an die Menschen bringen wollte. Heute, im digitalen Zeitalter, ist das anders: Facebook, Twitter und Co. ermöglichen es der Politik, direkt mit den Bürgern zu kommunizieren und die Medien zu umgehen.
Was hinter dieser Entwicklung steckt, wie Politiker die neuen Kommunikationswege nutzen und wie Journalisten damit umgehen – ein Online-Dossier über neue Formen von politischer Kommunikation und ihre Auswirkungen auf den Journalismus.
#medialisierung
Wie sich das Verhältnis zwischen Politik und Medien verändert hat
Die AfD und die Lügenpresse
Wie die AfD ihr eigenes Medien-Biotop schafft und klassische Medien umgeht
„Lügenpresse“, „Staatsfunk“, „Zwangsgebühren“. Die Alternative für Deutschland (AfD) pflegt ein angespanntes Verhältnis zu den klassischen Medien. Einerseits nutzt sie das ihr verhasste System immer wieder als Bühne, um Aufmerksamkeit für eigene Themen und Ziele zu erzeugen. Andererseits greift die Partei klassische Medien regelmäßig scharf an – sie inszeniert sich als Opfer der Berichterstattung der angeblich vorurteilsbehafteten „Mainstream-Medien“. Bei ihrem Bundesparteitag im Juli 2018 hat sie nicht zuletzt beschlossen, dass Journalisten von Teildebatten bei Parteitagen ausgeschlossen werden können, sofern die Delegierten mehrheitlich dafür stimmen.
Deshalb nimmt die AfD die Berichterstattung nun selbst in die Hand. Um ihre Botschaften, unabhängig von den klassischen Medien, an ihr Publikum zu bringen, bedient sie sich den Vorteilen des digitalen Zeitalters: „Sie ist die erste Internet-Partei, die Social-Media-Kanäle umfassend nutzt und als permanente Erregungsmaschinerie für sich entdeckt hat“, heißt es im Vorwort der Studie „AfD und die Medien. Erfahrungen und Lehren für die Praxis“, die die Otto-Brenner-Stiftung Ende 2018 veröffentlicht hat. Und weiter: „Wie keiner anderen politischen Formation zuvor ist es der AfD (…) in relativ kurzer Zeit gelungen, ein eigenes Medien-Biotop aufzubauen.“
Wie erfolgreich die AfD soziale Medien bedient, zeigt auch eine bisher unveröffentlichte Studie des amerikanischen Medienwissenschaftlers Trevor Davis von der George-Washington-Universität, die der Spiegel ausgewertet hat. Darin wird deutlich, wie extrem die AfD Facebook – im Vergleich zu anderen Parteien – dominiert: Rund 85 Prozent der geteilten Beiträge stammen von der AfD, die restlichen 15 Prozent teilen sich Union, SPD, Grüne, Linkspartei und FDP. Die Studie zeigt auch: Die Partei veröffentlicht durchschnittlich mehr als 4000 Foto-Posts pro Woche. Zum Vergleich: Bei FDP und der Linken sind es wöchentlich nur mehrere hundert solcher Posts.
So kann ein journalistischer Newsroom aussehen.
Hier arbeitet zum Beispiel die Redaktion der "Welt".
Im Januar 2018 kündigte die AfD-Fraktion außerdem den Aufbau eines “Newsrooms” an und sorgte damit für Aufruhr. Sie wolle Nachrichten künftig selbst produzieren, hieß es. Die Intention: Eine “Gegenöffentlichkeit” zu den klassischen Medien schaffen, von denen sich die AfD ignoriert und schlecht behandelt fühlte.
Angekündigt war ein Newsroom mit 20 Mitarbeitern im Schichtdienst, abseits der Pressestelle. Der sollte im April 2018 in Betrieb geben. Doch seitdem scheint nicht viel passiert zu sein. Es ist unklar, inwieweit die Fraktion die Pläne bisher überhaupt umgesetzt hat. Medien berichten, dass es zwar ein Großraumbüro mit der Aufschrift “Newsroom” gebe. Ein großes Redaktionsteam hat aber noch niemand zu Gesicht bekommen. Leider hat sich die AfD-Fraktion trotz mehrfacher Nachfrage nicht dazu geäußert, ob die Pläne weiterhin aktuell sind und in welchem Stadium sich der geplante Newsroom befindet.
Trend zum Parteien-Newsroom?
Wie Parteien die Potenziale der Digitalisierung für ihre Außendarstellung nutzen
Doch nicht nur die AfD, auch andere Parteien wollen ihre Inhalte gezielt und unabhängig von den klassischen Medien an ihr Publikum bringen – diese Entwicklung ist nicht neu. Bei der SPD-Parteizentrale gibt es etwa schon seit Jahren einen Newsroom. Das Verkehrsministerium produziert in einem “Neuigkeiten-Zimmer” Formate wie “Grill den Scheuer”, einen digitalen Bürgertalk. Heiko Maas wird für das Auswärtige Amt auf Instagram begleitet.
Kritisch betrachtet werden Newsrooms dann, wenn sie die Arbeit klassischer Medien erschweren oder gar ersetzen wollen. So wurden Journalisten von der Auftaktveranstaltung zum CDU-Werkstattgespräch ausgeschlossen, es wurde lediglich ein Livestream angeboten.
Im Folgenden sind alle Newsroom-Aktivitäten der Parteien aufgelistet, die im Bundestag vertreten sind. Unterschieden wird zwischen Parteizentralen und Bundestagsfraktionen, da das Parteiengesetz eine strikte personelle und finanzielle Trennung von Partei und Fraktion fordert.
Um zu erfahren, was welche Partei macht, klickt auf die Logos. Die Reihenfolge orientiert sich an den Ergebnissen der letzten Bundestagswahl.
Bei der Unionsfraktion teilen sich zwölf Mitarbeiter aus den Bereichen "Presse" und "Online-Kommunikation/Soziale Medien" seit Mai ein Gruppenbüro. Ziel sei es, die internen Kommunikationswege und Reaktionszeiten zu verkürzen, erklärt die Pressestelle der Fraktion auf Anfrage. Außerdem wolle man Wählern Informationen über die eigene Arbeit in Zukunft schneller, verständlicher und leichter auffindbar zur Verfügung stellen. Der größte Unterschied zu einer klassischen Redaktion: Das Gruppenbüro der Unionsfraktion produziere eben keine journalistischen Beiträge. Von einem Newsroom wird nicht gesprochen.
Ein Sprecher der CSU-Parteizentrale gab an, dass sie (noch) keinen Newsroom betreibe. Die CDU-Parteizentrale war nicht zu einer Stellungnahme bereit.
Die SPD-Parteizentrale schreibt in ihrer Stellungnahme, dass sie bereits 2010 einen "Newsdesk" eingerichtet hat, der später in "Newsroom" umbenannt wurde. Aktuell arbeiten sechs Personen im Newsroom, geleitet wird er seit Kurzem von Carline Mohr. Sie war bis 2016 als Social-Media-Leiterin bei Bild.de und zuletzt als Chefin vom Dienst für den Bereich "Audience Development" bei Spiegel Online verantwortlich.
Der Newsroom der SPD-Zentrale kümmert sich insbesondere um die Kommunikation auf digitalen Plattformen, die losgelöst von der Pressestelle erfolgt. In der Stellungnahme heißt es, man wolle da präsent sein, wo Meinungsbildung stattfindet, also auch im Netz. Der direkte Kontakt ermögliche es, Meinungen, Bedenken und Ideen der Menschen zu erfahren.
Daniel von Fromberg, Chef vom Dienst im SPD-Newsroom, sieht Gemeinsamkeiten zum journalistischen Newsroom vor allem in der Organisationsstruktur. Als Journalisten verstehen er und die anderen Mitarbeiter sich jedoch nicht: Sie betrieben Öffentlichkeitsarbeit, keinen Journalismus. Das werde auf den unterschiedlichen Kanälen auch transparent gemacht. An der Bezeichnung "Newsroom" hängt von Fromberg – gerade angesichts der aktuellen Debatten – nicht: "Ich würde sagen, alle Parteien versuchen natürlich in ihren Kommunikations- oder PR-Abteilungen bestmöglich die eigenen Positionen, Inhalte und Botschaften zu vermitteln und in die Öffentlichkeit zu tragen und dort auch zu diskutieren. [...] Aber das ist etwas ganz Anderes als zu sagen, man will 'Herr über die eigenen Bilder' sein und die Botschaften kontrollieren. Es gibt gar nicht den Vergleich, dass wir hier in gewisser Weise journalistische Tätigkeiten übernehmen."
Die SPD-Bundestagsfraktion hingegen nennt ihre Abteilung, die insbesondere für die Social-Media-Kommunikation der Fraktion zuständig ist, Newsdesk. Die fünf Mitarbeiter sind zwischen der Öffentlichkeitsarbeit und der Pressestelle der Fraktion angesiedelt – es bestehen Verknüpfungen in beide Richtungen. Genau wie die SPD-Zentrale betont auch die SPD-Fraktion, der Newsdesk kümmere sich um Öffentlichkeitsarbeit und wolle keine Gegenöffentlichkeit schaffen. "Wir wollen keine Konkurrenz und kein Ersatz für die Arbeit der Journalisten in der Hauptstadt sein", so ein Mitarbeiter der Fraktion.
Den Überblick über die Pläne der AfD-Fraktion gibt es weiter oben in diesem Projekt. Die AfD-Parteizentrale betreibt keinen Newsroom.
Die FDP-Parteizentrale hat ihrer Pressestelle zufolge keinen eigenen Newsroom und plant derzeit auch nicht, einen solchen aufzubauen. Die Aktivitäten anderer Parteien in diesem Bereich möchte die Partei nicht bewerten.
Auch die FDP-Fraktion betreibt weder einen eigenen Newsroom noch gibt es entsprechende Pläne. Die vier Bereiche "Umfeldanalyse und Koordination", "Presse", "Öffentlichkeitsarbeit" und "Soziale Medien" seien bereits gut miteinander vernetzt und könnten, unter anderem durch das Intranet, digital koordiniert werden, erklärt ein Pressesprecher der Fraktion.
Die Linke betreibt keinen eigenen Newsroom – weder in der Parteizentrale noch auf Fraktionsebene. Der maßgebliche Grund für diese Entscheidung sei, dass die Partei ein Verwischen der Grenzen zwischen PR und Journalismus für überaus problematisch halte, erklärt eine Sprecherin der Parteizentrale. Weiter schreibt sie: "Selbstverständlich verfügen wir über eine Pressestelle, in der die Pressearbeit für die Partei stattfindet. Die von einigen anderen Parteien genutzte Bezeichnung 'Newsroom' suggeriert jedoch, dass hier journalistische Arbeit geleistet wird. Diese hat in einer demokratischen Gesellschaft jedoch eine grundlegend andere Funktion. Da es unsere Meinung ist, dass Newsrooms in die Redaktionen gehören und nicht in die Parteizentralen, werden wir auch in Zukunft keinen bei uns einrichten."
Bündnis 90/Die Grünen verzichten sowohl in ihrer Parteizentrale als auch in der Bundestagsfraktion bewusst auf die Einrichtung von Newsrooms. Michael Kellner, politischer Bundesgeschäftsführer der Partei, findet es befremdlich, wenn Parteien mit einem Newsroom bewusst Journalisten umgehen, um sich kritischen Fragen nicht stellen zu müssen. Ein kritischer und unabhängiger Journalismus sei der Kern der Demokratie, den auch Parteien schützen müssten. In seiner schriftlichen Antwort heißt es: "Wenn Parteien, wie SPD und CDU, Veranstaltungen ohne Presse veranstalten und sich loben, dass sie die Bilder kontrollieren, ist das eine Form von Schwäche, die die freie Berichterstattung gefährdet. Auch in der Bundesregierung kommt diese Praxis immer häufiger vor. Manche Minister verbreiten lieber Eigen-PR, anstatt für Presseanfragen zur Verfügung zu stehen. Das ist falsch."
Gehört der Newsroom nicht dem Journalismus?
Was Journalisten zum Newsroom-Trend bei Parteien sagen
Interview: Wie der Newsroom das Verhältnis von Politik und Journalismus beeinflusst
Wie erklären Sie sich den Trend zum Newsroom bei Parteien?
Entscheidend scheint mir die Wahrnehmung der Parteien, dass sich politische Stimmungen auch über die sozialen Netzwerke – als eine relativ neue Form von Öffentlichkeit – ausbreiten. Und natürlich können sie dort verstärkt, gegebenenfalls aber auch verändert werden. Parteien und andere gesellschaftliche Gruppierungen versuchen nun nicht nur zu Wahlkampfzeiten, ihre jeweilige Sicht der politischen Situation in den sozialen Medien erfolgreich zu verbreiten. Da diese weitgehend ohne Journalisten funktionieren, verändert sich das Verhältnis von Politik und traditionellen Medien.
Wie wird das Verhältnis von Politik und Journalisten in Zukunft aussehen?
Zunächst einmal relativieren diese Entwicklungen insgesamt den Stellenwert des pluralistisch aufgestellten Journalismus, der nach professionellen und erlernbaren Berufsregeln arbeitet. Journalistische Darstellungen politischer Ereignisse stehen in Konkurrenz zu Formaten der sozialen Medien, die eben nicht zu einer seriösen Berichterstattung verpflichtet sind, und die Fakten und Meinungen nach eigenen Entscheidungen beliebig selektieren und kombinieren können. Für viele Nutzer ist nicht immer erkennbar, ob nach journalistischen Kriterien gearbeitet wird oder nicht und ob man "Nachrichten" inhaltlich trauen kann. In einem solchen Umfeld stehen journalistische Beiträge in der Gefahr, als eine Meinung neben vielen wahrgenommen zu werden.
Welche Folgen haben Parteien-Newsrooms und der Ausschluss von Journalisten von politischen Veranstaltungen für die Demokratie?
Ein Ausschluss von Journalisten aus öffentlichen Veranstaltungen verträgt sich nicht mit den Grundsätzen einer offenen, pluralistischen Gesellschaft. Das ist im Einzelfall dann sicherlich eine juristische Frage. Die Pressefreiheit sehe ich im Moment in Deutschland nicht in Frage gestellt.
Eine Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet halte ich ebenfalls für nicht vereinbar mit unserem Rechtssystem. Also werden wir gesellschaftlich lernen müssen, mit den neuen Entwicklungen umzugehen. Bereits in der Schule muss ein entsprechend kompetenter Umgang gelehrt und eingeübt werden – dazu gehört auch die Unterscheidung, was journalistische Arbeit ist und was nicht. Wenn Meinungen und nachprüfbare Tatsachen und Fakten in breiten gesellschaftlichen Kreisen zunehmend gleichgesetzt werden, werden politische Diskussionen ganz ohne Zweifel irrationaler. Und natürlich schwächt das die Position der Medien als “vierte Gewalt”.
Twitter-Präsident, YouTube-Star
und Facebook-Guru
Wie internationale Politiker soziale Medien für sich nutzen
Nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern machen sich Politiker die Digitalisierung zunutze. Insbesondere durch die sozialen Netzwerke können sie ihre eigenen Inhalte präsentieren und direkt mit dem Volk kommunizieren. Dabei scheinen vor allem populistische Politiker diese Möglichkeit gerne zu nutzen, um die klassischen Medien, die ihnen gegenüber oft kritisch sind, zu umgehen. Welche Kanäle sie wählen, wie ihr Verhältnis zu Journalisten ist und was sie so erfolgreich macht, zeigen die folgenden Beispiele.
Mehr als 61 Millionen Follower, mehr als 42.000 Tweets – der 45. US-Präsident wird nicht umsonst der “Twitter-Präsident” genannt. Unter dem Namen @realDonaldTrump reagiert er auf aktuelle politische Ereignisse und twittert, so scheint es, einfach das, was ihm in den Sinn kommt. Das reicht vom Kräftemessen mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un oder dem Iran über Lobeshymnen auf seine eigene Regierungsarbeit bis hin zur öffentlichen Anfeindung von Journalisten.
Doch viele vermuten dahinter eine ausgeklügelte Strategie und klare Ziele. Durch die einfach formulierten Tweets erreicht Trump eine breite Öffentlichkeit – gerade seine Anhänger schätzen die ungefilterte und direkte Verbindung zu ihrem Präsidenten. Twitter hilft ihm, die klassischen Medien als Vermittler zwischen Politik und Gesellschaft zu umgehen und sie auf seinem Kanal als Verbreiter von „Fake News“ darzustellen. Damit immunisiert er sich nicht zuletzt gegen Kritik von Journalisten, denn seine Fans folgen Trumps Logik und nehmen die Äußerungen von Medien des anderen politischen Lagers nicht mehr ernst.
Gleichzeitig schafft Trump es, durch seine provozierenden und teils sogar diffamierenden Tweets immer wieder die Aufmerksamkeit der klassischen Medien auf sich zu ziehen und für Schlagzeilen zu sorgen. So lenkt er von politischen Problemen ab und setzt seine eigenen Themen auf die Medienagenda.
Sein YouTube-Kanal gilt als der am meisten abonnierte politische Kanal Frankreichs, er kommentiert dort das politische Geschehen, seine Auftritte und Reden können sich seine Follower in voller Länge anschauen: Der französische Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon hat YouTube für sich entdeckt. Mit aktuell mehr als 415.000 Abonnenten ist er führenden Politikern des Landes wie Präsident Emmanuel Macron und der Rechtspopulistin Marine Le Pen auf diesem Kanal weit überlegen.
„Mit YouTube können wir die Zwänge der klassischen Medien umgehen, zum Beispiel die Zeit“, sagte der Digitale Kommunikationschef von Jean-Luc Mélechon in einem Interview mit dem Fernsehsender Arte 2017. „Wir können bestimmte Themen länger behandeln und vertiefen“. So schildert Mélenchon zum Beispiel jede Woche in einem Wochenrückblick seine Sicht auf aktuelle politische Themen, seit wenigen Monaten ist dieses Format auch als Podcast bei Spotify und iTunes zu finden.
Im Laufe seiner Karriere hat Mélenchon Medien immer wieder stark kritisiert. Er bezeichnete die Journalisten des öffentlich-rechtlichen Senders France Info als “Idioten” und forderte öffentlich zur Abo-Kündigung einer Online-Zeitung auf. Als er bei der Präsidentschaftswahl 2017 den Einzug in die entscheidende Stichwahl nur knapp verpasste, gab er den Medien die Schuld daran.
Indien hat 1,3 Milliarden Einwohner. Eine riesige Masse an Menschen, die der hindu-nationalistische Premierminister Narendra Modi zu erreichen weiß. Denn Modi, der seit 2014 regiert und im Mai 2019 wiedergewählt wurde, hat die Macht der sozialen Medien verstanden und kommuniziert mit großer Vorliebe direkt mit seinem Volk.
Allein auf Twitter, Facebook und Instagram hat er insgesamt mehr als 113 Millionen Follower - zusätzlich ist Modi auf LinkedIn, Pinterest und YouTube aktiv und hat darüber hinaus eine eigene App, die in der Beschreibung mit der “einzigartigen Möglichkeit, direkte Nachrichten und E-Mails vom Premierminister zu erhalten” wirbt. Modi präsentiert sich in den sozialen Netzwerken nicht nur als politische Führungspersönlichkeit, sondern behandelt auch Themen des Alltags, angefangen bei Management-Ratschlägen bis hin zu Yoga-Posen. Er möchte die Sprache derer sprechen, die sich vernachlässigt fühlen, Teil ihres Lebens werden. Der Nebeneffekt: Modi normalisiert dadurch seine eigentlich aggressive, nationalistische politische Einstellung.
Seine starke Aktivität in sozialen Medien nutzt er als Ausrede, die traditionellen Medien zu umgehen. Er vermeidet kritische Journalisten und Situationen, in denen er sich angreifbar machen würde. So hat er im Mai 2019 erstmals in seiner bis dahin fünfjährigen Amtszeit eine Pressekonferenz im eigenen Land gegeben – Nachfragen wurden jedoch nicht von ihm selbst, sondern von seinem Wahlkampfstrategen beantwortet, berichtet die Süddeutsche Zeitung.
All das zeigt, dass sich das Verhältnis von Politik und Journalismus im digitalen Zeitalter verändert hat. Insbesondere soziale Netzwerke bieten Politikern neue Möglichkeiten, direkt mit Wählern zu kommunizieren, unabhängig von den klassischen Medien. In "Newsrooms" oder Pressestellen werden Kräfte gebündelt, um gezielte PR- und Medienarbeit zu machen. In dieser Entwicklung stecken Risiken und Gefahren – ob dadurch jedoch auch Pressefreiheit und Demokratie gefährdet werden, bleibt fraglich. Weitere Beiträge zum Thema "Journalismus, Digitalisierung und Politik" findet ihr hier.
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