Jannis Neumann trat in der ersten Saison der E-Sport-Liga der NBA an – als einziger Deutscher: So erlebte er die Debüt-Saison in den USA.
Hinweis: Dieser Text ist im Rahmen eines Seminars am Institut für Journalistik der TU Dortmund entstanden. Er stellt den Stand vom Herbst 2018 dar. Wir veröffentlichen ihn im Rahmen unseres neuen Schwerpunkts „Matchplan Sports“ mit diesem Hinweis. In der im April 2019 gestarteten zweiten Saison der E-Sport-Liga der NBA ist Jannis Neumann nicht dabei.
Das Telefon klingelt mitten in der Nacht – und trotzdem nehmen Jannis Neumann und Dirk Nowitzki blitzschnell den Hörer ab. Am anderen Ende der Leitung: Die Dallas Mavericks, ein NBA-Team auf der Suche nach Talenten. Neumann und Nowitzki, die beiden Deutschen, sollen der Franchise aus Texas zu neuem Glanz verhelfen. Dabei unterscheidet beide nicht nur, dass der eine in Köln am Apparat hängt und der andere in Würzburg. Nowitzki ist beim Anruf eines der größten Basketball-Talente in Europa, Neumann dagegen zeigt sein Talent am Playstation-Controller: Er ist E-Sportler – und beide Anrufe liegen 20 Jahre auseinander.
Während Nowitzki mittlerweile auf eine steile Karriere samt Meisterschaft und MVP-Auszeichnung zurückblicken darf, steht Neumann noch am Anfang seiner Laufbahn: Die NBA 2K League, in deren ersten Saison er 2018 antritt.
E-Sport-Liga in der Sommerpause der NBA
Gemeinsam mit dem Videospiel-Publisher 2K Sports hat die NBA 2018 eine Kooperation über eine E-Sport-Liga geschlossen, in der künftig alle NBA-Franchises mit einem eigenen Online-Team antreten sollen. Gespielt wird dabei das jeweils aktuelle „NBA2K“, das jährlich erscheint. Die Teams treffen im Fünf-gegen-Fünf zwischen Frühjahr und Herbst aufeinander – also in der Sommerpause der regulären NBA-Saison.
Jannis tritt in der ersten Saison für das Team der Dallas Mavericks, Mavs Gaming, an. „Ich saß total nervös vor dem Fernseher. Die Gespräche mit einigen Teams waren gut, aber das war sehr schwer einzuschätzen. Die Mavs waren aber in meinen Top 3, und als der Anruf kam, war ich überglücklich“, sagt der 22-Jährige über die Draft-Nacht.
2010 kommt er zum ersten Mal mit NBA2K in Kontakt: „Ich habe bei einem Freund NBA2K10 gezockt, hatte selber gar keine Konsole. Aber irgendwie hat mich das Spiel dann gepackt und ein paar Monate später habe ich mir mit der Playstation 3 die erste Konsole geholt“, erzählt Neumann von seinen Anfängen am Controller. Ursprünglich spielt er Fußball, findet über das Videospiel aber auch seine Liebe zum Basketball. Als er 2010 sein erstes NBA-Spiel sieht, packt ihn der Virus endgültig. „Die Boston Celtics haben mich damals fasziniert, sind bis heute noch mein Lieblingsteam. Aber die Mavericks sind natürlich auch cool, vor allem wegen Dirk“, ergänzt er.
Europameister – und Hotelfachmann
Bis zur ersten Draft der NBA 2K League trainiert Jannis Neumann auf dem heimischen Sofa, nimmt immer wieder an einzelnen Events in Europa teil, die 2K Sports organisiert. 2017 gewinnt er die Europameisterschaft, kurz danach kündigt die NBA die eigene E-Sport-Liga an. „Da habe ich mir schon relativ gute Chancen ausgerechnet und angefangen intensiver zu trainieren“, erklärt Neumann. Doch vorher liegt der Fokus noch auf der beruflichen Ausbildung – rein auf die Draft möchte er sich nicht verlassen. „Ich wollte meine Ausbildung als Hotelfachmann noch beenden. Im Anschluss daran wurde ich übernommen und habe ab Mitte 2017 bis zur Draft im April nebenher dort gejobbt“, erklärt der gebürtige Dinslakener.
Wie beim „richtigen“ Draft für die NBA-Talente muss auch Neumann zur Combine, einer Art Härtetest, in die USA reisen, wo Scouts die Spielweise des 22-Jährigen bewerten und verschiedene Teams ihn zu Interviews einladen. „Um sich dafür zu qualifizieren, musste ich 50 Spiele in einem Monat gewinnen. Ich habe natürlich versucht, die Ergebnisse aus dem Training umzusetzen und gute Statistiken aufzulegen, um die Franchises zu überzeugen und mir eine Draft-Position zu sichern“, sagt Neumann.
Harte Auswahl
Sechs Spieler gibt es pro Mannschaft, 17 Franchises stellen in der Debüt-Saison ein eigenes E-Sport-Team. Neumann musste sich bis zur dritten von sechs Runden gedulden, bevor der Anruf der Mavericks kam – dort wurde er dann aber an erster Stelle ausgewählt. „Ein tolles Gefühl. Ich kann beruflich das machen, was mir Spaß macht und meinen Traum leben. Nach all der Arbeit, die ich in den letzten Jahren in meiner Freizeit dafür investiert habe, ist dies die endgültige Bestätigung.“
Kurz nach der Draft verlässt Neumann seinen Wohnort Köln und zieht nach Dallas – zumindest für die sechs Monate der Saison. „Für die laufende Saison sind wir immer am Standort der Franchise untergebracht, wo wir einen eigenen Trainingskomplex haben. Wir werden bezahlt und das Team übernimmt zudem die Lebenshaltungskosten“, berichtet Neumann. Acht Stunden am Tag befasst er sich mit dem neuen NBA2K19. Acht Stunden Zocken bedeutet das nicht. „Wir beginnen jeden Tag mit einem Team-Meeting und analysieren unsere vorherigen Spiele. Anschließend geht es ins Fitnessstudio, denn E-Sport setzt eine körperliche und mentale Fitness voraus. Ansonsten fehlt dir in den entscheidenden Momenten im Spiel die Konzentration. Alles läuft so schnell ab, da darfst du dir keinen Fehler erlauben.“
Spiele in New York
An den Wochenenden fliegt Neumann mit seinen Teamkollegen von Dallas nach New York, wo die Spiele gegen die anderen Teams stattfinden. Dabei übernimmt jeder Akteur eine Position, Neumann selbst wurde als Center ausgewählt und spielt für Mavs Gaming auch auf dieser Position. Im Gegensatz zu anderen E-Sport-Titeln wie FIFA, bei denen oft Eins-gegen-Eins gespielt wird, duellieren sich die NBA-Akteure im Fünf-gegen-fünf. „Du musst natürlich auf deine Teamkollegen achten, die KI nimmt dir nicht alle Entscheidungen ab. Aber es macht natürlich auch Spaß, weil du dann auch als Team erfolgreich bist“, erklärt Neumann.
In seiner ersten Saison macht er 19 Spiele, erzielt dabei als Center 5,9 Punkte pro Spiel und sammelt 0,8 Rebounds. Als Center verfügt Neumann auch über einen ordentlichen Dreipunktwurf, netzt diese mit einer Quote von 44,7 Prozent. Mit einer Größe von 2,15 Metern und 117 Kilo ist der virtuelle Neumann zudem deutlich größer und schwerer als das Original. „Jeder Spieler nutzt in der Liga den Spieler, den er selbst bei NBA2K erstellt hat. Dies macht alles nochmal individueller und natürlich ausgeglichener, denn ansonsten könnte man sich ja das perfekte Team aus virtuellen Profis selbst zusammenstellen“, erklärt Neumann, der in der Liga als „JLB“ antritt – „Jannis liebt Basketball“. Mavs Gaming beendet die Saison mit einer Bilanz von 6-8 und verpasst damit die Playoffs. Erster Champion der neuen 2K League wird Knicks Gaming aus New York.
Talent, Training und Spaß
In der ersten Saison ist Neumann noch der einzige Deutsche in der Liga, hofft aber, dass sich dies in Zukunft ändert: „Natürlich ist es schön, die Liga aus deutscher Sicht zu präsentieren und bei der Entwicklung der Liga zuzuschauen. E-Sport ist riesig und es ist Wahnsinn, was sich in den letzten Jahren entwickelt. Ich bin mir auch sicher, dass auch in Deutschland E-Sport als richtiger Sport anerkannt und dementsprechend gefördert wird. Ich bin schon gespannt, was in den nächsten Jahren passiert.“
In der 2K-League hat sich zur zweiten Saison schon einiges getan: Mit Hawks Talon GC, Lakers Gaming, Nets GC und T-Wolves Gaming gehen vier weitere Teams an den Start, erstmals sind auch Trades innerhalb der Liga erlaubt. „E-Sport bietet viele neue Möglichkeiten und sorgt etwa dafür, dass jeder den Zugang zum Sport bekommt. Natürlich braucht man bei Videospielen viel Talent, kann sich aber auch einiges antrainieren“, sagt Neumann. Das Wichtigste sei dabei der Spaß: „Das ist die Grundvoraussetzung.“