Was dran ist, können Sie dann morgen in unserem Faktencheck nachlesen!
Dieses Versprechen ist seit Jahren fester Bestandteil der ARD-Talkshow hart aber fair. Woche für Woche lässt Moderator Frank Plasberg den Wahrheitsgehalt überspitzt anmutender Statements seiner Gäste checken, die diese als Fakt verkaufen. Am Tag nach der Sendung gehen die Ergebnisse des Fact-Checking-Teams online. Die Zuschauer können überprüfen, was an der Aussage des Gastes dran ist.
Doch ist Plasberg kein Einzelkämpfer auf diesem Gebiet: Zunehmend mehr journalistische Kanäle widmen sich der Prüfung politischer Statements oder kursierender Falschnachrichten in speziellen Fact-Checking-Formaten. Formate wie Echtjetzt des Rechercheportals Correctiv wollen Falschmeldungen auf Facebook enttarnen, Portale wie stimmtdas.org den Wahrheitsgehalt der Aussagen von Politikern überprüfen, der #wahlwatch-Faktencheck der ARD und der #ZDFcheck17 fragwürdige Fakten rund um die Bundestagswahl checken.
Es scheint, als würden die Redaktionen dabei versuchen, die journalistische Sorgfaltsflicht mit einer Akribie zu erfüllen, wie sie der alltägliche oft unter Zeitdruck stehende Journalismus oder Echtzeit-Talk im Fernsehen nicht leisten kann.
Doch inwiefern kommen Faktenchecks beim Publikum an? Heben sich Redaktionen, die sie anbieten, durch eine größere Vertrauenswürdigkeit von anderen Medien ab? Und inwiefern integriert das Publikum Faktenchecks in seinen regelmäßigen Medienkonsum – etwa um sich gegen Desinformation, politische Propaganda, Lügen und dreiste Behauptungen, kurz Fake News, abzusichern?
Diese Fragen scheinen aktueller denn je. Denn auch, wenn Fake News und Faktenchecks kein neues Phänomen sind – zumindest in den USA überprüften die Medien bereits in den 1980er Jahren öffentlich und explizit fragwürdige Aussagen des damaligen Präsidenten Ronald Reagan – haben sie seit 2016 an Relevanz und Ausmaß zugenommen: Mit Donald Trump als aktuellem US-Präsidenten gehört die Debatte über Fake News zum Alltag – häufig ausgelöst durch seine Tweets wie diesen:
Zwar hat der Staatschef mit seiner Aussage Recht, dass 45,6 Millionen Menschen seine „Rede zur Lage der Nation“ im Fernsehen gesehen haben – nicht jedoch mit der Aussage, dass es so viele waren wie nie zuvor. Laut dem Mediendienst, der in den USA die Zuschauerquoten ermittelt, hatten frühere Präsidenten bei ihren Reden schon mehr Zuschauer. Einige US-Medien wie die New York Times oder die Washington Post haben es sich zur Aufgabe gemacht, derartig fragwürdige Aussagen Trumps anhand von Fakten zu überprüfen und sie aufzulisten. Wohl auch, um das Vertrauen zurückzugewinnen bzw. zu erhalten, das nicht zuletzt durch öffentliche Diskreditierungen des Präsidenten gelitten hat, der unter anderem kritische Journalisten als Lügner darstellte.
Dass die Anzahl von Faktenchecks in den vergangenen Jahren zugenommen hat, zeigen Zahlen des Reuters Instituts, wonach über 90 Prozent der heutigen Faktenchecks weltweit seit 2010 gegründet wurden – in einem Jahrzehnt, in dem sich soziale Netzwerke als Kommunikationsplattform für Milliarden Menschen etabliert haben und über die nahezu jeder schnell und publikumswirksam Unwahrheiten verbreiten kann.
Welchen Stellenwert haben diese Faktenchecks nun aber für Rezipienten bei der Überprüfung von Fake News? Dieser Frage ist Anfang des Jahres ein Team von Studierenden des Instituts für Journalistik der TU Dortmund – darunter auch die beiden AutorInnen dieses Beitrags – mittels einer Onlinebefragung nachgegangen.[1] Dabei kam heraus, dass mehr als die Hälfte der 363 überwiegend jungen und gut gebildeten Befragten Faktenchecks als durchaus wichtiges und nützliches Instrument gegen Fake News betrachtet. Fake News werden von ihnen dabei in erster Linie als „gezielte Fehlinformationen“ begriffen, die am ehesten über soziale Netzwerke und Boulevardmedien und weniger über Qualitätsmedien verbreitet werden.
Die Abbildung zeigt, für wie wahrscheinlich (dunkel-lila Balken) bzw. unwahrscheinlich (hell-lila Balken) es die Befragten (n=361) halten, dass über die jeweiligen Informationsquellen Fake News verbreitet werden. Die Originalfrage lautet: „Im Folgenden haben wir einige Informationsquellen aufgelistet. Wie wahrscheinlich ist es Ihrer Meinung nach, dass über diese Informationsquellen Fake News verbreitet werden?“. Die Befragten konnten ihre Antworten jeweils auf einer 4er-Skala abgeben von „sehr unwahrscheinlich“ bis „sehr wahrscheinlich“. In der Darstellung sind die Items „sehr unwahrscheinlich“ und „eher unwahrscheinlich“ sowie „sehr wahrscheinlich“ und „eher wahrscheinlich“ jeweils addiert worden. Quelle: eigene Darstellung
Dass viele Befragte Faktenchecks als nützlich bewerten, bedeutet jedoch nicht, dass sie diese auch entsprechend oft nutzen. Nur jeder Vierte gibt an, bei Zweifeln an der Korrektheit einer Information Faktenchecks als Überprüfungsstrategie anzuwenden. Dabei nutzen die Befragten einzelne wenige Formate und diese in den meisten Fällen auch eher selten. Faktenchecks erreichen also keine breite Masse.
Können Medien trotzdem von Faktenchecks profitieren, etwa durch eine Imagesteigerung? Die bereits erwähnte positive Einstellung gegenüber entsprechenden Formaten legt dies nahe. Und auch weitere Ergebnisse der Umfrage zeigen dies. So geben 60% der Befragten an, dass sie Medien, die Faktenchecks anbieten, für glaubwürdiger halten als andere Medien. Zudem stimmen mehr als zwei Drittel Aussagen wie „Faktenchecks sind wichtig, um Fake News aufzudecken“ (77%) oder „Faktenchecks stehen für guten Journalismus“ (66%) zu. Gleichzeitig wird das Fact Checking von ebenso vielen Befragten als „nichts Besonderes“ bewertet. Für die Befragten ist das kritische Prüfen von Fakten demnach ein grundsätzliches Wesensmerkmal guten Journalismus und nicht ausschließlich gesonderter Faktencheckformate.
Auch wenn die Ergebnisse der Onlinebefragung nicht repräsentativ sind, lassen sich dennoch Erkenntnisse für die in Deutschland unterrepräsentierte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Faktenchecks ableiten. Dazu zählt die Annahme, dass Faktenchecks keine Wunderwaffe gegen Fake News sind, allenfalls für das Image der Anbieter entsprechender Formate. Denn während Fake News vor allem über soziale Netzwerke verbreitet werden und damit eine hohe Reichweite erzielen können, erreichen die Medien mit ihren Faktenchecks nur einen Bruchteil. Dies liegt, wie frühere Studien zeigen, auch daran, dass Faktenchecks häufig nicht diejenigen erreichen, die mit den entsprechenden Fake News konfrontiert waren.
Faktenchecks können Fake News letztlich also nicht verhindern. Sie sind kein Garant für Wahrheit. Aber sie können ein Stück dazu beitragen, indem durch sie Fake News und Unwahrheiten identifiziert, als solche gekennzeichnet und eingeordnet werden.
[1] Für die Verbreitung der Umfrage wurde der Link nicht zufallsgesteuert insbesondere über Mailverteiler von Universitäten (bundesweit), das private Umfeld der AutorInnen und über Facebook gestreut. 501 Befragte (N) haben die Umfrage begonnen, 363 Befragte (n) haben sie abgeschlossen. Sie waren im Schnitt etwa 27 Jahre alt und mehrheitlich (65%) StudentInnen. Etwa ein Drittel der Befragten hat angegeben, im Medienbereich zu arbeiten oder zu studieren.