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Datenschutz ist wichtig. Unternehmen sammeln das, was wir im Netz hinterlassen. Wir müssen uns besser schützen. Soweit würden die meisten Internetnutzer zustimmen. Doch in der Praxis stimmen wir dem Datensammeln oft allzu schnell zu. Dabei sind schützende Instrumente und Programme oft nur ein paar Klicks entfernt. Warum ist das so? Rebecca Rohrbach geht der Frage nach, wie sich unsere Vorstellung von Privatsphäre durch das Netz verschoben hat. Ihr Text ist ein Auszug aus dem Buch „Wenn Maschinen Meinung Machen“, das im März 2018 im Westend-Verlag erschienen ist.
Wir alle haben Angst vor Trojanern. Diese fiese Malware, die sich hinterhältig in unseren Computern einnistet, ohne dass wir es bemerken. Wenn wir Pech haben, bleibt sie unentdeckt. Im besten Fall schlägt jedoch unser Antiviren-Programm an und setzt auf Hochtouren alle Hebel bis zur Beseitigung in Gang. Dass wir einem dem trojanischen Pferd sehr ähnlichen Phänomen jedoch öfter aufsitzen als uns lieb ist, sehen wir viel zu selten.
Als ich die Suchmaschine meines Vertrauens aufgerufen habe, um für dieses Essay zu recherchieren, habe ich nicht großartig darüber nachgedacht, dass Google sich merkt, wonach ich suche. Dass ich mehr über verschiedene Facetten der Privatsphäre erfahren möchte, über den Wandel des Begriffs und über das Verständnis innerhalb verschiedener Generationen. Momente, in denen meine Alarmglocken schrillen, wenn ich online Suchbegriffe eingebe, sind ehrlich gesagt dünn gesät. Das Ziel ist mir schlichtweg wichtiger als der Weg. Vor allem, weil ich bei der Suchworteingabe selten das Gefühl habe, Privates von mir preiszugeben. Wie auch sicherlich vielen anderen ist mir dennoch bewusst, dass gerade Suchmaschinen im Grunde genommen von einer ähnlichen Taktik wie der des trojanischen Pferdes Gebrauch machen – sie bieten uns einen Nutzen, in Form der Suchfunktion, an und greifen im selben Zug mehr oder weniger offensichtlich unsere Daten ab.
Doch das ist nichts Neues und bei Apps und anderen Onlinediensten funktioniert dieses Prinzip genauso. Trotzdem wird der Aufschrei in der Gesellschaft nach informationeller Selbstbestimmung, nach der Kontrolle über unsere persönlichen Informationen wieder lauter. Vor allem seitdem die Medien das Phänomen Big Data, sprich den Umgang mit großen Datenmengen, zunehmend näher beleuchten und über die voranschreitenden technischen Möglichkeiten aufklären. Mein Eindruck mag aber auch daraus resultieren, dass ich mich persönlich vor Enthüllungen wie der des ehemaligen US-amerikanischen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden 2013 zu NSA-Spionagepraktiken weniger detailliert mit der Thematik des Datenschutzes auseinandergesetzt habe. […]
Da ist der Haken schon gesetzt
Vielleicht ist Ihnen das folgende Szenario bekannt: Eine App wird von vielen Freunden genutzt, sie reden darüber täglich. Ich möchte Teil der Bewegung werden, mitreden können. Daher rufe ich den App-Store meines Smartphones auf, suche den Dienst. Ein Glück, die App kostet nichts. Eine Hürde weniger, denn für mich ist das ausschlaggebend. Ich besitze keine einzige kostenpflichtige App, da ich bisher immer eine kostenfreie Alternative gefunden habe. Jetzt nur noch den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zustimmen – da ist der Haken schon gesetzt, die App heruntergeladen. Dass ich damit eingewilligt habe, dass der Dienst auf meinen Standort, meine Kontakte und meine Kamera zugreifen kann, habe ich nicht hinterfragt. Ich weiß oft nicht einmal, welche Informationen er von mir genau haben will. Warum soll ich mich um meine hinterlassenen Daten kümmern? Was sollen die Unternehmen damit schon anfangen, es sind doch nur Informationen über mich als Individuum? Dafür habe ich endlich die besagte App.
Doch so einfach sollten wir es uns nicht machen. Die akribischen Datensammler setzen genau auf dieses blinde Vertrauen seitens uns Nutzern. Sie wissen, wie leichtsinnig viele mit ihren Informationen umgehen, greifen unsere Daten einfach ab und das sogar legal – weil wir dem mit der Nutzung zugestimmt haben. In den AGB mancher Apps zum Beispiel zählt es zu den Nutzungsvoraussetzungen, persönliche Informationen wie unsere Standortdaten, unsere Kontaktliste sowie Medien und Dateien aus unserem Speicher offenzulegen. Wenn nicht sogar noch ein persönliches Benutzerkonto angelegt werden muss, damit wir zusätzlich auch den Rest unserer Nutzerinformationen leichtfertig offenbaren. Vordergründig wird uns versprochen, dass die App damit perfekt auf uns zugeschnitten werden kann. Gerne gesehen ist dies bei Fitness-Apps und es macht bei einigen Diensten auch Sinn, um ein noch individuelleres Erlebnis zu ermöglichen. Ich empfinde es zum Beispiel als Erleichterung, wenn mir der Kalorienrechner angepasst an mein Sportprogramm und meine Körpermaße zusammenstellt, wie viel ich noch wovon essen darf. Oder wenn ich durch die Ortung meines Standorts meine Navigationsapp verwenden kann. Doch zu welchem Preis?
Daten sind die Währung des Digitalen. Das, was wir online von uns hinterlassen, nimmt Einfluss auf viel mehr Bereiche unseres Lebens, als es auf den ersten Blick scheint. Wir hinterlassen die Daten wie Spuren im Schnee. Doch schmelzen sie nicht einfach weg, sobald der Sommer kommt. Sie werden womöglich bedeckt von anderen, neueren Informationen. Allerdings verschwinden sie nicht, sondern bestehen weiterhin in den großen Weiten des Internets. Und wir verlieren den Überblick, welche Spuren wir hinterlassen haben.
Der datenbasierte Krankenkassentarif
[…] Dienste wie WhatsApp bedienen sich mittlerweile zudem besserer Verschlüsselungen, doch fällt es auch mir persönlich schwer, in Zeiten des stetigen Datenklaus allein darauf zu vertrauen. Ich nutze viele Dienste schon seit Jahren und auch sehr häufig. Früher habe ich nach der Schule direkt meinen Computer hochgefahren, um mit meinen Freunden über ICQ zu chatten, falls Ihnen das noch etwas sagt. Und auch heute bin ich ständig online – wenn auch nicht mehr auf ICQ, sondern beispielsweise über WhatsApp und Facebook. Zwar hinterfrage ich, wie bereits erwähnt, beim Download von Apps und bei der Eingabe in Suchmaschinen die Weitergabe meiner persönlichen Daten eher weniger, schicke über meine Kommunikations-Apps jedoch nicht wahllos Informationen hin und her. Demnach besitze ich sehr wohl ein Bewusstsein dafür, Privates nicht an die Öffentlichkeit zu bringen. Trotz eines recht lockeren Umgangs mit meinen Daten möchte ich also doch etwas schützen: Informationen aus Bereichen wie Familie, Freunde, Sexualität, Arbeit und vertrauensvolle Gespräche, die aus meiner Sicht nicht jeden etwas angehen. Nur klaffen mein Wunschdenken von Privatsphäre und mein Verhalten teilweise auseinander. Sie erinnern sich an das zu Anfang erwähnte Beispiel meiner Suchmaschinennutzung? Selbst wenn es dabei nicht um die Suche nach persönlichen Informationen ging, kann auch anhand meines Suchverlaufs ein Profil erstellt werden, das mich gut charakterisiert. Und auch bezüglich der Verwendung von Kundenkarten bin ich wahrlich kein Vorbild für Datenbewusstsein. […]
Es gibt ein Beispiel, das mich persönlich besonders überrascht und zugleich schockiert hat: Krankenkassentarife könnten sich nach unserem in Apps gespeicherten Gesundheitszustand und Bewegungsprofil richten. Ich möchte aber in keiner Klassengesellschaft leben, die sich nach unserem Gesundheitsstand ausrichtet, in der wir in Schubladen gesteckt werden, aus denen wir nicht so leicht wieder herausgelangen. Wo kommen wir denn hin, wenn wir nach inneren oder äußerlichen Eigenschaften eingestuft werden? Verbaler Protest bringt dahingehend jedoch wenig. Bewusster Konsum und überdachte Datenabgabe sind die Lösung. Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn im Internet sind nun einmal vorwiegend gläserne Nutzer erwünscht. Wer dem widerspricht, wird gnadenlos ausgeschlossen. Oder wir zahlen mit Geld anstatt mit unseren Daten für verschiedene Leistungen. Da ist es natürlich einfacher, wenn ich mir keine Gedanken mache und mit der Masse mitschwimme. Die anderen geben schließlich auch Informationen von sich preis und denen ist auch noch nichts Schlimmes widerfahren. Doch wissen wir das wirklich? […]
Grundsätzlich müssen wir allerdings erkennen, dass manche Daten einfach nicht mehr privat sind. Die Technik entwickelt sich weiter, und um sie nutzen zu können, werden schlichtweg Informationen über uns benötigt. In einer Welt komplett ohne Privatsphäre, wie es die Post-Privacy-Bewegung voraussagt, leben wir jedoch auch nicht. Ein Glück, denn anders als die Befürworter dieser Strömung, sehe ich es als negativ an, wenn wir uns vollends offenbaren müssten und jeder alles weiß. Denn: „Wissen über Menschen ist Macht über diese Menschen.“1 Wer möchte schon, dass jeder unsere Schwächen kennt? Seien es spezielle Charaktereigenschaften und Ansichten, außergewöhnliche Vorlieben, finanzielle Engpässe oder gar gesundheitliche Probleme. Was wäre das für eine Gesellschaft? Wir alle wären offene Bücher, würden über jeden Bescheid wissen, nichts Neues mehr übereinander erfahren. Wir alle erlauben uns zudem beruflich und privat Fehltritte – ein ganz natürliches, menschliches Verhalten. Soll dies alles unmittelbar öffentlich sein? Zugleich könnte uns der Chef aufgrund nicht zufriedenstellender Gesundheitsdaten kündigen oder wir könnten Opfer von Einbrüchen werden, weil anhand unserer unbewusst versendeten Ortungsdaten in Kombination mit Posts in sozialen Netzwerken sichtbar ist, wann wir uns wo und wie weit von zu Hause entfernt befinden. Muster werden erkennbar und entlarven uns, wenn wir uns nicht absichern.2
Ob beruflich oder privat: Wir können uns nicht gänzlich vor der Datenabgabe schützen, wenn wir ein Teil der Internetgesellschaft sein möchten. Spuren werden nun einmal mit jedem Klick hinterlassen. Vollkommene Askese ist meines Erachtens jedoch keine Lösung, um unsere Privatsphäre zu schützen. Schließlich macht es Spaß, verschiedene Apps und Onlinedienste zu nutzen. Daher ist Selbstinitiative gefragt. Es gibt zum Beispiel Programme zur Verschlüsselung von E-Mails und darüber hinaus VPN-Verbindungen. Letztere ermöglichen es Internetnutzern, beim Surfen weitestgehend nicht identifizierbar zu sein. Grundsätzlich ist dabei zu bedenken, dass Fähigkeiten im Umgang mit solchen Programmen nötig sind, die nicht jeder von uns besitzt, wobei die Einrichtung von VPN-Verbindungen beispielsweise kein IT-Studium voraussetzt. Ein Punkt, der mich aber viel mehr stört: Es kostet oft viel Zeit, sich über die Thematik zu informieren. Welches Programm ist das beste? Was bringt es mir letztlich? Doch dieser Aufwand sollte uns der Schutz unserer Daten wert sein. Ansonsten nehmen wir die Datenfreigabe billigend in Kauf. Und zwar nur, weil wir schlampig sind und uns der nicht einmal finanzielle, sondern rein zeitliche Mehraufwand nervt. […]
Und das ist die Autorin Rebecca Rohrbach, Jahrgang 1993, nahm 2012 ihr Studium der Journalistik sowie Germanistik in Dortmund auf und absolvierte ein multimediales Volontariat bei der Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen. Journalistische Erfahrung sammelte sie zudem in Praktika u.a. beim ZDF, WDR und der WAZ.