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Der Diplompsychologe Tobias Rahm ist ein Mensch, dem die Zufriedenheit geradezu aus dem Gesicht springt. Auf Youtube sieht man den wissenschaftlichen Mitarbeiter in einem Seminar vergnügt vor Studierenden der Uni Braunschweig auf und ab gehen. Immer wieder blickt er aufmunternd in die Runde, streut humorvolle Bemerkungen wie Bonbons in die Theorie. Sein Fachgebiet: Positive Psychologie. Eine Wissenschaft, die sich die Erforschung des Glücks zur Aufgabe gemacht hat. In Zeiten, wo uns von Fernsehwerbung bis Facebook überall Glück versprochen wird, gleichzeitig aber immer mehr Menschen über Depressionen klagen, ist er der richtige Mann um zu fragen: Wie wird man eigentlich glücklich im Digitalen Zeitalter?
Guten Tag, Herr Rahm. Welche drei Dinge liefen gestern bei Ihnen gut?
Gestern Abend habe ich mich mit meinem Freund getroffen. Wir haben unser Computerspiel gut vorangebracht und das mit viel Spaß. Dann hatte ich Training, wo sich die Leute gefreut haben, dass ich da war. Und die Bäckereiverkäuferin hat mich mit einem Lächeln begrüßt.
In Seminaren fordern Sie Ihre Studierenden auf, sich täglich drei gute Dinge vor Augen zu führen. Machen Sie das auch?
Ja, immer mal wieder. Ich bin jedenfalls mittlerweile ziemlich gut darin, die positiven Seiten in meinen Tagen zu entdecken und mich daran zu erfreuen!
Ist Glück nur eine Frage der Perspektive?
Zunächst mal müssen wir klären, was wir unter Glück verstehen. Auch die Wissenschaft ist sich da ja uneinig, aber viele sagen: Glück ist „subjektives Wohlbefinden“. Das heißt, wir wollen häufig positive Emotionen, selten negative Emotionen und eine hohe Lebenszufriedenheit. Wie oft ich positive Emotionen erlebe, ob ich mehr halbvolle oder halbleere Gläser sehe, das ist tatsächlich auch eine Einstellungssache.
Warum ist das Verlangen nach Katastrophenmeldungen trotzdem so groß? „Bad news are good news“, heißt es im Journalismus…
Ja, das ist eine doofe Verzerrung in unserer Wahrnehmung. Das kommt vermutlich noch aus der Steinzeit. Damals war es wichtig, auf den Bad-News-Reiz: „Da kommt ein Säbelzahntiger aus dem Gebüsch“ sofort und direkt zu reagieren und nicht erst zwischendurch die Blume am Wegesrand oder das Eichhörnchen zu bewundern, was da den Baum hochklettert. Negative Reize waren ein Überlebensmechanismus!
Sie können auch heute noch wichtig sein: Wenn Sie zu entspannt in eine Streitverhandlung gehen, werden Sie möglicherweise vom Ärger des Gegenübers überrollt. Das schadet Ihrer Zielerreichung. ‚Bad News’ sind also tendenziell Dinge, die gefährlich für unsere Existenz oder Ziele sein können und deshalb schneller ins Auge springen.
Es geht also nicht darum, ganz wegzugucken, sondern daneben auch das Positive, etwa das Eichhörnchen, zu sehen?
Wenn wir trainieren wollen, glücklicher zu werden, dann geht es in erster Linie darum, das Eichhörnchen zu sehen. Ich habe etwa das Tagesschau gucken am Abend abgeschafft. Ich finde es besser, sich drei gute Dinge ins Gedächtnis zu rufen, als sich eine Viertelstunde die Schlechtigkeiten des Tages zu geben und dann mit Sorgen ins Bett zu gehen. Ich habe nichts gegen Informationen, natürlich gibt es Dinge, die man bedenken sollte. Aber Angst- und Panikmache in der Presse sind nicht glücksförderlich. Ich glaube, das ist auch nicht besonders hilfreich fürs Überleben.
Verschließen Sie da nicht ein wenig die Augen vor dem Negativen?
Was heißt Augen verschließen? Ich schaue ja auch Nachrichten. Aber wo es nicht mehr tut als mir ein ungutes Gefühl zu geben oder mir Angst zu machen, ist es wenig wertvoll. Und da kann ich die Dosierung, wieviel ich an mich ranlassen will, ja ein bisschen steuern.
Der Forscher Seligman hat 2011 ein „Modell des Wohlbefindens“ entwickelt: Darin nennt er auch die beiden Aspekte „Positive Emotionen“ und „Beziehungen“ als glücksfördernd. Genau das versprechen uns Soziale Medien! Macht facebook glücklich?
Ich gehe davon aus, dass das stark von der Nutzung abhängt. Ich vermute, dass es schon gut ist, vernetzt zu sein, dass ich weiß, da sind Leute, die sich für mich interessieren. Wenn ich nicht gerade zwanghaft mein Profil so darstelle, dass ich möglichst viele Leute erreiche und dann Sozialstress bekomme, wenn das nicht passiert. Das wäre dann überdosiert und wahrscheinlich weniger hilfreich.
Es kursieren auf alle Fälle süße Katzenvideos …
Ich halte etwas davon, sich Dinge anzugucken, die positive Emotionen generieren. Wenn das Katzenvideos sind, bitteschön!
Was ist eigentlich mit der Unzufriedenheit? Hat die auch einen Sinn?
‚Ohne Unglück gibt es kein Glück’ heißt es oft von Kritikern der Positiven Psychologie. Ich bin von der These nicht ganz überzeugt und habe dazu auch noch keine Studien gesehen. Philosophisch mag das Sinn machen, aber es gibt nun mal Menschen, die Zufallsglück im Leben haben. Die brauchen nicht unbedingt Kontrasterfahrungen, um ein gutes Leben zu führen. Und dann muss nicht jemand von außen sagen: „Du kennst das richtige Leben nicht.“
Gleichzeitig ist es trotz Schicksalsschlägen möglich, glücklich durchs Leben zu kommen. Es gibt Forschungen dazu, was das posttraumatische Wachstum angeht. Viele Menschen gehen aus schlimmen Ereignissen sogar gestärkt hervor, denn sie haben dadurch neue Erfahrungen und Kompetenzen erworben.
Ist das auch eine Modeerscheinung, dass wir meinen, alle glücklich werden zu müssen?
Wir kennen das spätestens seit Aristoteles, wo sich die Menschen Gedanken machen über das gute und gelingende Leben. Jede Generation wird das etwas anders definieren, aber ‚Glücklich sein’ ist eine alte Frage.
Nur Aristoteles ging es ja eher um die Tugend als um Glück.
Ja, bei uns steht Hedonismus vielleicht etwas höher im Kurs, damals ging es eher um Tugendhaftigkeit. Aber letztendlich gleich geblieben ist die Frage, was zum gelingenden Leben führt.
Wenn ich nachdenke, wo mir Unzufriedenheit im Alltag am deutlichsten begegnet, kommen mir Hasskommentatoren im Internet in den Sinn. Was würden Sie diesen Menschen raten?
Ich glaube, Hass ist eine zerstörerische Emotion. Hassäußerungen sind etwas, was ich als schlecht für die Gesellschaft und schlecht für mein Wohlbefinden ansehe. Insofern würde ich sagen: Hass ist ein Gefühl, was man sich gut überlegen sollte, wo man auch mal nachforschen sollte, was das mit einem macht und was mich dazu bringt, so ein Gefühl zu haben.