Daniel Moßbrucker ist Journalist und Security-Trainer für Journalisten.
Seine Themengebiete sind Überwachung, Datenschutz und Internetregulierung. Reporter ohne Grenzen unterstützt er als Referent für
Informationsfreiheit im Internet. Im Gespräch mit Maximilian Zienau
erzählt er, dass jeder Journalist vor einer individuellen Herausforderung
steht, wenn er seine Daten schützen möchte
Welche Rolle spielt Datenschutz im journalistischen Alltag?
Der Aspekt der Datensicherheit besitzt für Journalistinnen und Journalisten naturgemäß eine sehr große Bedeutung. Es ist die Aufgabe von Medien, dem Staat und allen anderen Gruppen auf den Zahn zu fühlen. Daher mussten sich Journalistinnen und Journalisten immer schon vor Spähangriffen schützen. Das ist in der Digitalisierung umso wichtiger geworden, einfach weil die Erfassungsmöglichkeiten gestiegen sind. Der Journalismus ist heutzutage vollkommen digitalisiert, eine analoge Recherche ist unmöglich. Von daher lauern auch überall Gefahren.
Das heißt nicht, dass alles, was man im Internet tut, gleich zu einem
großen Skandal oder eine aufgeflogenen Quelle führt. Das wäre sicherlich Paranoia. Aber ein gesundes Bewusstsein, was man tun sollte, ab wann es sensibel wird, das müssen alle Medienschaffenden haben.
Welche Fallstricke lauern auf Journalisten im digitalen Raum?
Das ist individuell. Wir als Reporter ohne Grenzen sind nicht diejenigen,
die sagen: Verschlüsselt mal alles ohne Rücksicht auf Verluste! Wir sind eine international tätige Menschenrechtsorganisation mit Büros in fast 20 Ländern und Korrespondentinnen und Korrespondenten auf allen Kontinenten. Die Lage der Pressefreiheit unterscheidet sich stark von Land zu Land. Wenn ich jetzt sagen würde, jeder Journalist auf der Welt muss Verschlüsselungen nutzen, würde ich manche in Gefahr bringen. Nehmen wir das Beispiel Türkei: Dort kann es derzeit bei den Sicherheitsbehörden Aufmerksamkeit erregen, wenn man auf einmal anfängt, seine E-Mails zu verschlüsseln. In einem Land wie Deutschland wird es hingegen als legitim angesehen, dass bestimmte Berufsgruppen diesen Extraschutz brauchen. Nur weil ein Journalist hier eine zusätzliche Verschlüsselung einsetzt, heißt das nicht, dass er gleich ein Staatskomplott plant.
Wie findet man das richtige Maß an Schutz?
Für uns ist es besonders wichtig, den Menschen, die wir
betreuen, nicht nur Technik abstrakt zu erklären, sondern mit ihnen
herauszuarbeiten, wie ihre Bedrohungsszenarien aussehen. Wir müssen immer in konkreten Gefahren denken, auf die Sicherheitstools wie Verschlüsselung eine Antwort sein können. Anonymisierung und Verschlüsselung sind nie ein Selbstzweck, sondern immer eine Antwort auf ein Gefahrenpotenzial. Das ist in einem Land wie Deutschland ein anderes, als in Ländern, in denen es schwieriger ist mit der Pressefreiheit.
Welche Schritte können Journalisten tätigen, um sich und ihre Daten zu schützen?
Die Klassiker sind die Verschlüsselung der Kommunikation, die
Anonymisierung des eigenen Rechercheverhaltens und die Absicherung von Accounts. Journalistinnen und Journalisten sind ja darauf angewiesen, auf Social Media präsent zu sein, sodass ihre Accounts nicht gehackt werden dürfen. Die vierte große Säule ist sicherlich die Reisesicherheit. Journalistinnen und Journalisten reisen sehr viel und können an den Grenzen gezwungen werden, ihre Geräte zu entsperren. Dafür muss
man zumindest gewappnet sein. Allerdings bringt es nichts, diese Dienste
einfach nur zu nutzen, wenn ich nicht weiß warum.
Warum nicht?
Wenn mein Angreifer ein sehr potenter ist und Möglichkeiten hat, die
Infrastruktur zu kontrollieren, dann bringt es mir zum Beispiel wenig,
meine E-Mails zu verschlüsseln, wenn danach die Kollegin anruft und wir
über eine Telefonleitung sprechen, die abgehört wird. Aufgrund dieser Komplexität ist das Thema auch nicht so verbreitet, wie es sein müsste. Es verlangt vom Einzelnen einiges ab. Man muss sich darüber im Klaren sein, welche Gefahren es gibt.
Die Gefahr bei der Überwachung ist die, dass man es gar nicht mitbekommt, wenn es passiert. Wir als Reporter ohne Grenzen sind da überdurchschnittlich sensibilisiert, weil wir regelmäßig neue Fälle auf den Tisch bekommen. Der Durchschnittsjournalist wird es aber vielleicht niemals erfahren, wenn er überwacht wird. Kürzlich sind Fälle bekannt geworden, bei dem eine Journalistin in Deutschland 28 Jahre lang auf dem Radar des Inlandsgeheimdienstes gewesen ist. So etwas kriegen Medienschaffende aber erst dann mit, wenn bei den Diensten etwas
schiefläuft, weshalb wir von Reporter ohne Grenzen uns für stärkere Auskunftsrechte bei Überwachung einsetzen.
Wie sollte ein Journalist auf sein individuelles Bedrohungspotenzial
reagieren?
Wir kommen meist ins Spiel, wenn etwas schiefgelaufen ist. Das Bewusstsein ist dann spätestens da, wenn man merkt, dass da etwas passiert ist. Das ist aber natürlich nicht der beste Ansatz. Denn wenn ich mitkriege, dass mein Passwort geknackt wurde, dann hat jemand im Zweifel schon meine ganzen E-Mails abgesaugt. Dann kann ich den nächsten Angriff vielleicht verhindern und mein Passwort ganz stark machen, aber der erste Angriff war erfolgreich. Insofern ist Prävention das A und O.